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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0107
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Platonismus und Mystik im Altertum.

103

Erscheinungen sind für das kritische Denken ein Dreierlei, welches
nicht zu homogener Dreiheit vereinigt werden kann* 1. Es war aber
andererseits übertrieben ausgedrückt, wenn Zeller2 sagte, die spät-
platonische Dreiheit habe mit der christlichen 'kaum irgend etwas
gemein’; und es war gänzlich verkehrt, wenn Cousin3 in der spät-
antiken Dreiheit nur eine sichtbare Imitation der christlichen Tri-
nität sehen wollte. Sondern die Kirchenväter hatten in gewissem
Sinne recht; zwar nicht im Sinne Platons, wohl aber im Sinne der
hellenistischen Platonkonversion, wofern diese in sich und in ihrer
eigenen Struktur richtig bedacht wird: Hat sich Gott in die Logoi
ausgesamt oder in die gedanklichen Zahlen entfaltet oder in den
Ideenbereich ergossen, so ist der Inbegriff dieser Logoi, die Logos-
Einheit, mit Recht als Gottes Geschöpf und Sohn zu bezeichnen.
Und ist die Seele das, was seinem Wesen nach vernünftiges Leben
sein soll und was, nach Vollendung seiner Weltmission, wieder zu
Gott zurückzukehren bestimmt ist, so schließt sich mit ihr eine
tatsächlich trinitarische Seinskurve des Absoluten: das Eine, der
Logos und die Seele machen dann zusammen das dreifältige Ur-
Leben aus, in welchem 'Anfang’ und 'Ende’ bei Gott sind, die
'Mitte’ aber als Weisheit der Wegweisung dem Logos, als belebende
Kraft dem Geiste eignet4. Religiös bleiben Spätplatonismus und
Christentum noch geschieden, denn der Platonismus ist seinem Wesen
nach dialektische Spekulation, das Christentum hingegen bedient
sich der Spekulation nur als Hilfe. Für das Christentum hat sich
Gott in der persönlichen Mission seines Sohnes und in der Tatsache
der Ausgießung seines Geistes einmalig und geschichtlich-endgültig
geoffenbart; für den Neuplatonismus offenhart er sich in einer
Ordnung der Welt, die immer noch kosmisch-natürliche Ordnung5
(Parm. 137d, 153c, 165b). Für den Gottesbegriff aber fordert Platon, wie
schon für jede Idee, Unteilbarkeit. Jene neuplatonische Teilung, die 'das
Geteilte im Einen ungeteilt’ beharren läßt (erst das ist die logische Voraus-
setzung von Dreieinsheit) ist Platon gänzlich fremd und mit genuin-Platoni-
scher Dialektik unvereinbar.
1 Daß in dem Zusammenhang von Phaed. 104a die Drei als Beispiel
verwendet wird, darf nicht gepreßt werden. Sie ist für Platon die kleinste
der ungeraden Zahlen, da die Eins wegen ihres Absolutheitscharakters fortfällt.
2 Zeller III, 24, S. 495.
3 Cousin, Hist. gen. d. philos. 191. Vgl. Zeller, a. a. O., Anm. 1.
4 Aus dieser Funktion der 'Mitte’ erklärt es sich, daß die platonisch-
pythagoreische Weltseele bei den Christen bald mit dem Sohne als dem Mittler,
bald mit dem Geiste als dem Mittelpunkt alles Lebens verglichen wird.
5 Zeller III, 24, S. 494.
 
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