Metadaten

Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0155
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Platonismus und Mystik im Altertum.

151

denkens, diese das Erhabene der himmelanstrebenden Wortklänge
als die Erbauung ihrer schlichten Gläubigkeit. Es ist eine Sprache,
in der die Denkunmöglichkeiten gehäuft werden, aber um gerade da-
durch das Denknotwendige transparent zu machen. In dieser
Sprache bedeutet der immanente Gebrauch der Wörter nichts mehr,
der transzendente aber Alles. Es ist die einzige Sprache, um aus-
zudrücken, daß Einsheit und Unendlichkeit in mystischer Dreiheit
zur Koinzidenz gelangen.
Nach den Hymnen des Proklos und Synesios lenken wir unsern
Blick in die Richtung eines dritten Weges: auf ihm werden wir
sehen, wie die antike Philosophie nicht nur die Wahl hatte, den
Übergang ins Christliche entweder abzulehnen oder zu vollziehen,
sondern wie sie auch innerhalb christlicher Lebensform noch ihr
Eigendasein behaupten konnte. Das trat nicht erst im Zeitalter der
Renaissance zutage, sondern bereits in dem Momente, da die antike
Geisteshaltung äußeren Gewalten gegenüber tödlich zu erliegen
schien. Wir wollen aus der Consolatio des Boethius ersehen, wie der
lebendige Geist antiker Sapientia die Kraft bewahrte und bewährte,
um der Kulturgeschichte der Vernunft im Abendlande die Stetigkeit
ihrer Lebenslinie zu erhalten.
Es war fast tausend Jahre nach dem Tode des Sokrates, da im
Westen auf dem Monte Cassino, der früher einen Apollontempel ge-
tragen hatte, der Grund für das Mönchsleben Italiens gelegt wurde,
im Osten Platons Schule durch kaiserliches Edikt geschlossen wurde,
im Norden die Christianisierung Irlands begann. Nicht nur die Zeit
der griechischen Polis war dahin, sondern auch die der großen Im-
perien. Über Italien herrschte der Gote Theoderich. Politische
Gegensätze zwischen den eingesessenen Italern und den barbari-
schen Goten, kirchliche Zwistigkeiten zwischen Athanasiern und
Arianern, nationale Hoffnungen des Adels auf Byzanz und zugleich
Eifersucht des Hofes gegen die sich nach Osten spinnenden Fäden
erzeugten eine gespannte Atmosphäre. Tatsächlich war Theoderich
machtlos gegen die immer enger werdende Verbindung, die zwischen
dem byzantinischen Kaiser, dem römischen Bischof und der
Senatspartei sich anbahnte. Als Theoderich alt wurde, gab er Ver-
leumdern Gehör. So geschah es, daß Boethius, der Mann von vor-
nehmster römischer Herkunft, in griechischer Bildung als einer der
Letzten und wie Wenige vor ihm heimisch, von Amt und Würden
einer der Ersten in Rom, durch persönliche Gegner in einen Hoch-
verratsprozeß verwickelt und von Theoderich unschuldig zum Tode
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften