Metadaten

Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0159
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Platonismus und Mystik im Altertum.

155

unserer Handlungen zusammen, den Guten Belohnungen, den Bösen
Strafen abwägend. Und nicht vergeblich bauen Hoffnung und Ge-
bet auf Gott. Sie können, wenn sie aufrichtig sind, nicht unwirksam
sein. Widersteht also den Lastern, pfleget die Tugenden, erhebt den
Geist zu rechter Hoffnung, richtet demütiges Gebet nach oben.
Euch ist, wenn ihr euch nicht verleugnen wollt, die Redlichkeit als
große Notwendigkeit auferlegt, da ihr vor den Augen des Alles sehen-
den Richters handelt’.
Der ‘Trost’ des Boethius liegt also in einer rein ethischen Ge-
wißheit des Platonismus: Die ewige Gegenwart Gottes verbürgt
den Sieg des Guten im Weltgeschehen. Die Willkür der Gewalt-
herren und die feile Feigheit der Opportunisten1 werden vor Gott
nicht nur nicht triumphieren, sondern sogar ihr momentaner Erfolg
auf Erden ist nur ein Scheinerfolg. Denn was sie tun, ist böse, und im
gesamten Kosmos hat nur das Gute wirklichen Seinsbestand. Gott
ist das absolut-Gute selber; also kann nur das, was gut ist, wirklich
sein und Kraft haben2. Allem Scheine zum Trotz muß Schlechtes
im Grunde nichtig und kraftlos sein. Wie sehr auch die Schlechten
toben, dem Weisen wird sein Kranz nicht mangeln noch welken5.
Daher müssen die Schlechten, je mehr sie ihr Begehren zu sättigen
scheinen, in Wahrheit nur umso unglücklicher werden3, denn sie
‘sind’ nur, sofern es nach dem Sinn der Welt auch Abfall und Aus-
fall geben muß. Nur das Weltganze selber ist Totalität, hingegen
‘in’ der Welt kann es Totalität nicht geben; daher ist das Schlechte
notwendig, und nur ‘in Gott’, unter dem Gesichtspunkt der Welt-
ganzheit und der Ewigkeit, ist auch das Schlechte — als Teilmoment
des Ganzen —- gut4. Für sich widerstrebt das Schlechte jedem echten
Bestände, ja sogar jeder echten Verbindung mit seinesgleichen,
denn seine Sphäre bleibt die des Negativen, während alles Gute
durch Teilhabe am Absoluten positiv, aufbauend und Gemeinschaft
stiftend ist. Daher ist zwischen Guten und Bösen ein Bündnis un-
möglich5.

1 Im Senate hat keiner von Boethius’ eigenen Amtsgenossen gewagt, die
Stimme für ihn zu erheben, obwohl niemand ihn für schuldig halten konnte.
So erlebte Boethius noch angesichts des Todes die schon von Platon dargestellte
Einsamkeit der philosophisch Gesinnten.
2 Consol. IV, prosa II, p. 94 u. 96—110 (Peiper).
3 Ibid. pros. III, p. 96, v. 15f.; pros. IV, p. 100 v. 8ff.
4 Ibid. pros. V, p. 114, v. 181 ff.
5 Ibid. pros. V, p. 114, v. 171: probis atque improbis nullum foedus est.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften