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Carl Brinkmann:
Schon dabei fällt auf, daß als Rechtsträger einmal die (ländliche
oder städtische) Gemeinde, sodann aber auch innerhalb ihrer eine
besondere Körperschaft der Allmendberechtigten auftritt. Darin
liegt eine zweifache Entwicklung: Einmal von der mittelalterlichen
Genossenschaft wenigstens grundsätzlich gleicher, mit Haus und
Hof angesessener Bauern oder Bürger zur neuzeitlichen Wohn-
gemeinde „freizügiger“ Einzelpersonen verschiedenster Herkunft
und Beschäftigung; sodann von der volksrechtlichen Verwaltung
unverteilten Bodens nach grundsätzlich einstimmigen Beschlüssen
aller Genossen zur amtsrechtlichen Verwaltung des Gemeinde-
eigentums durch den Gemeindevorstand mit „parlamentarischer“
Gemeindevertretung. Diese Entwicklung ist gerade bei der All-
mendnutzung noch unabgeschlossen und daher in einem sowohl
sachlich wie besonders für das Bewußtsein der Beteiligten oft recht
unklaren Zustande: Einerseits zeigt die mehr oder minder bestimmte
Sonderung von „Gemeindeeigentum“ und „Allmend“ die bereits
eingetretene Trennung zwischen dem unbeschränkten Vermögen
der öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaft und einem Teil da-
von, der „subjektiven Öffentlichen Rechten“ einzelner privater
Gemeindemitglieder, der Allmendberechtigten, unterworfen ist;
andererseits schwankt der Rechtszustand und das Rechtsempfinden
dieses engeren Kreises von allmendberechtigten Gemeindemitglie-
dern, der die Gesamtheit der Einwohner natürlich weder umfaßt noch
umfassen kann, zwischen der Auffassung als Gesamtgemeinde mit
Unterordnung unter die amtsrechtliche Verfügung und als private
Genossenschaft mit Verfügungs- oder mindestens Einspruchsrechten
jedes einzelnen1. Ohne Zweifel entspringt aus dieser zugleich
kommunalen und doch wieder individualistischen Zwitternatur des
Allmendrechts ein großer Teil namentlich der politischen und
sozialen Schwierigkeiten der Allmendfrage. Ebenso zweifellos aber
wird ihre Lösung gerade bei diesen Widersprüchen einzusetzen haben.
Bei der Landtagsberatung der neuen Badischen Gemeinde-
ordnung von 1921 trat zwar die sozialdemokratische Fraktion am
1 Darüber jetzt am besten: W. Bergdolt, Badische Allmenden (Heidel-
berg 1926), 154ff. Bei Ranke, Consalvi (S. W. 40—41, 180), finde ich (aus
dem Dialoghetti sulle materie correnti nell’anno 1831): „Vermöge eines falsch
verstandenen Eifers, souverän zu sein, habt ihr den Communen alle ihre Privi-
legien, alle ihre Rechte, alle ihre Freiheiten entrissen . . . Damit habt ihr
aber die Menschen fremd in ihrem eigenen Lande gemacht, zu Bewohnern
und nicht mehr Bürgern ihrer Städte.“
Carl Brinkmann:
Schon dabei fällt auf, daß als Rechtsträger einmal die (ländliche
oder städtische) Gemeinde, sodann aber auch innerhalb ihrer eine
besondere Körperschaft der Allmendberechtigten auftritt. Darin
liegt eine zweifache Entwicklung: Einmal von der mittelalterlichen
Genossenschaft wenigstens grundsätzlich gleicher, mit Haus und
Hof angesessener Bauern oder Bürger zur neuzeitlichen Wohn-
gemeinde „freizügiger“ Einzelpersonen verschiedenster Herkunft
und Beschäftigung; sodann von der volksrechtlichen Verwaltung
unverteilten Bodens nach grundsätzlich einstimmigen Beschlüssen
aller Genossen zur amtsrechtlichen Verwaltung des Gemeinde-
eigentums durch den Gemeindevorstand mit „parlamentarischer“
Gemeindevertretung. Diese Entwicklung ist gerade bei der All-
mendnutzung noch unabgeschlossen und daher in einem sowohl
sachlich wie besonders für das Bewußtsein der Beteiligten oft recht
unklaren Zustande: Einerseits zeigt die mehr oder minder bestimmte
Sonderung von „Gemeindeeigentum“ und „Allmend“ die bereits
eingetretene Trennung zwischen dem unbeschränkten Vermögen
der öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaft und einem Teil da-
von, der „subjektiven Öffentlichen Rechten“ einzelner privater
Gemeindemitglieder, der Allmendberechtigten, unterworfen ist;
andererseits schwankt der Rechtszustand und das Rechtsempfinden
dieses engeren Kreises von allmendberechtigten Gemeindemitglie-
dern, der die Gesamtheit der Einwohner natürlich weder umfaßt noch
umfassen kann, zwischen der Auffassung als Gesamtgemeinde mit
Unterordnung unter die amtsrechtliche Verfügung und als private
Genossenschaft mit Verfügungs- oder mindestens Einspruchsrechten
jedes einzelnen1. Ohne Zweifel entspringt aus dieser zugleich
kommunalen und doch wieder individualistischen Zwitternatur des
Allmendrechts ein großer Teil namentlich der politischen und
sozialen Schwierigkeiten der Allmendfrage. Ebenso zweifellos aber
wird ihre Lösung gerade bei diesen Widersprüchen einzusetzen haben.
Bei der Landtagsberatung der neuen Badischen Gemeinde-
ordnung von 1921 trat zwar die sozialdemokratische Fraktion am
1 Darüber jetzt am besten: W. Bergdolt, Badische Allmenden (Heidel-
berg 1926), 154ff. Bei Ranke, Consalvi (S. W. 40—41, 180), finde ich (aus
dem Dialoghetti sulle materie correnti nell’anno 1831): „Vermöge eines falsch
verstandenen Eifers, souverän zu sein, habt ihr den Communen alle ihre Privi-
legien, alle ihre Rechte, alle ihre Freiheiten entrissen . . . Damit habt ihr
aber die Menschen fremd in ihrem eigenen Lande gemacht, zu Bewohnern
und nicht mehr Bürgern ihrer Städte.“