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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1935/36, 4. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 1: Kreta — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.41987#0011
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Neue Darstellungen griechischer Sagen: I. Kreta.

11

Art der Dipylonvasen. Sicher handelt es sich bei der Frau um eine
lebende Person. Der erhöhte Standplatz aber muß, da Gründe for-
maler Natur ihn kaum veranlaßt haben können, doch wohl irgend-
wie sinnvoll, das heißt aus der Situation heraus zu erklären sein,
vielleicht als Hausschwelle1 ? Daß das Postament mit dem gleich-
getönten Schenkel des großen Ziermusters scheinbar in eins zusam-
menwächst, wird auf Zufall beruhen: wie auf der Kriegervase der
Ansatz des gefirnißten Henkels an die Frauengestalt anstößt und
ihren Rock so zu verbreitern scheint (Furtwängler-Eoeschcke,
S. 69). Auf alle Fälle ist es nicht organisch mit dem Ornament ver-
bunden, und nicht als dessen Fortsetzung zu verstehen.
Wo wir sonst in der Flächenkunst des kretischen Archaismus
die Stufe als Figurenträger antreffen, ist es augenscheinlich bloß
ein Mittel um das Bild zu konsolidieren, den Figuren festen Halt zu
geben. Wie immer die in strengstem Wappenschema gehaltene
Darstellung der Bronzemitra von Rhethymno2 zu deuten sein mag,
die abgetreppte Bühne, auf der sich die vier Jünglinge dem ,,Tro-
paion“ in der Mitte nähern, hat gewiß nicht den Sinn eines realen
Stufenpodiums. Nur das Bestreben, die Komposition dem Halb-
rund des Bildfeldes nach Möglichkeit anzupassen, hat zu der Auf-
stellung in wechselnder Terrainhöhe, wie ja auch zu jener seltsamen
Schrittstellung der Eckfiguren geführt, die der Betrachter griechi-
scher Vasenbilder als eine selbstverständliche Konzession an den
Raumzwang ohne weiteres hinzunehmen gewohnt ist. So werden
die Gestalten, die da von der Höhe herunterzueilen scheinen, in
1 So erscheint auf der Meleagervase in Neapel ( He yd e mann, Santangelo
11; AZ. 1867 Taf. 220; Engelmann, Arch. Studien 81 Abb. 26; Sechan,
Tragödie gr. 431 Abb. 123) die verzweifelte Althaia in der Tür des Gemachs,
ein Stufentritt ist deren einzeige Andeutung. Ebenso auf dem Neapeler
Oresteskrater (Heydemann 3249; Fr. 179 III 362ff.), wo Artemis „auf niedri-
ger Basis wie ein Tempelbild“ (Watzinger) sichtbar wird; es ist aber nichts
anderes als die Schwelle, über welche die Göttin, schwebenden Ganges von
draußen kommend, soeben das Heiligtum ihres Bruders betritt. Solche ver-
kürzte Angaben des Portals in Form einer einfachen Stufe sind ja auch sonst
nicht selten. Bisweilen ist sie von beträchtlicher Höhe. Und wenn Ilias 23, 202
Iris sich βηλώ επί λιθ-έω aufstellt, um den beim Gelage versammelten Winden
ihre Botschaft auszurichten, so dient hier die Türschwelle ge adezu als Thymele,
wird also schon äußerlich einer solchen ähnlich sehen.
2 Poulsen, AM. 31, 1906, 373ff. Taf. 23; Derselbe, Der Orient u.
die frühgriech. Kunst 82, 161, 165, 176; Kunze, Kret. Bronzereliefs 229, 234
246; Lamb, Bronzes 61 Abb. 3; Picard, Manuel d’archeol. grecque 446
Abb. 125.
 
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