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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1935/36, 4. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 1: Kreta — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.41987#0018
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18

Arnold von Salis:

Vorgang gehört, und auf dem eine menschliche Figur mit Zweig
und Harfe in den Händen kniet, ein Bema für kultische Begehungen
oder Schaustellungen bedeuten sollte. Allein die merkwürdige
Szene, deren sachliche Erklärung auch sonst auf Schwierigkeiten
stößt1, hat im Bilderschatz der frühgriechischen Kunst überhaupt
nicht ihresgleichen. Vielmehr ist bei der oft bemerkten starken
Abhängigkeit der Schale von orientalischen Vorbildern2 die Frage
berechtigt, oh jenes Gerät nicht ebenfalls fremden Ursprungs sein
dürfte: eine Art von Betschemel, wie für die knienden adorieren-
den Dämonen auf der phönikischen Silberschale aus Amathus3.
Die Bilder babylonischer Siegelzylinder zeigen bisweilen Untersätze,
die genau so hergerichtet zu sein scheinen wie auf der geometrischen
Schale. Das alles weist nach dem Osten. Dort kann es Vorkommen,
daß Gottheit und Beter, beide erhöht, einander gegenüberstehen4.
Indessen sind solche Vorstellungen, wie gesagt, dem Griechentum
vollkommen fremd, und für die Vase aus Knossos hätte schon nach
dem,was oben S. 6f. über den Sinn der Gruppe sich ermitteln ließ,
die Wiedergabe eines Kultakts ja ohne weiteres auszuscheiden.
Wir glauben uns nicht zu täuschen, wenn wir das rätselhafte
Balkenwerk des knossischen Vasenbildes vielmehr jenem niedrigen
Aufbau gleichsetzen, der auf unzähligen Darstellungen von See-
fahrzeugen aus dem Altertum begegnet, anfangend mit den bekann-
ten skandinavischen Felszeichnungen der Bronzezeit5. Diese ver-
teilen sich freilich auf einen Zeitraum von mehr als einem halben

1 Unsicher z. B. die Bestimmung des genannten Attributs als Saiten-
instrument; Herbig, AM. 54, 1929, 189f.
2 Zuletzt Möbius, AM. 41, 1916, 157 und Kunze, Kret. Bronzereliefs
76, 7; 214; 248, 3.
3 Perrot-Chipiez III 775 Abb. 547. Jedenfalls entspricht sowohl das
Knien wie das Erhöhen des Adoranten durch ein Postament orientalischem
Brauch, s. Val. Müller, RM. 38/39, 1923/24, 63f. und die dort angeführten
Denkmäler.
4 Semitische Stele aus Tell-Defenneh, Mus. Kairo; W. Max Müller,
Egypt. Researches 30f. Taf. 40. Der Gott auf seinem Löwen, der Adorant auf
hohem kastenartigem Schemel, das Ganze wiederum auf einer Estrade, die
offensichtlich aus Holz gezimmert ist; man beachte die Pfostenfüße dieses
Möbelstücks.
5 Almgren, Nordische Felszeichnungen als religiöse Urkunden (Über-
setzung a. d. Schwedischen 1934) u. die dort verzeichnete Literatur; Ebert,
RV. III 207ff. („Felszeichnungen“, Almgren) u. XI 236ff. („Schiff“, Behn).
Auf dem mir von Hause aus fremden Gebiet haben mich meine Kollegen
H. Güntert und E. Wahle in dankenswerter Weise beraten.
 
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