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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1935/36, 4. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 1: Kreta — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.41987#0026
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Arnold von Salis:

Oberkörpern der Verteidiger und zuschauender Frauen, die zwi-
schen den Zinnen erscheinen, also bloß der obere Abschluß, die
Mauer selber dagegen fehlt. Denn so gewiß die Szene mit derjenigen
des Hauptbildes darunter inhaltlich zusammengehört — die Weiber
verfolgen mit allen Zeichen entsetzter Teilnahme das grausige
Schauspiel, das sich dort ereignet1 —, räumlich sind die beiden Bil-
der voneinander zu scheiden. Schon die ganz ungewöhnliche Art,
wie hier der Mauerrand gemalt ist, nämlich als breiter dunkler
Mäanderstreifen der einfachsten Form, während die Fläche der
Zinnen ungetönt bleibt, verwandelt die Lokalangabe in ein orna-
mentales Trennungsglied, das die Schulterlinie des Gefäßes begleitet
und markiert: der Bau setzt sich nach unten nicht fort. Wie die
archaische Vasenmalerei eine Stadtmauer in voller Höhe wieder-
gibt, mit Tor, Türmen, Zinnenkranz und Besatzung, zeigt etwa
eine sf. Amphora in Florenz2: das Ganze ist in dunkler Silhouette
gehalten, die Kampfszene aber seitlich davon angebracht. Ihr zu
liebe ist, so hat Thiersch S. 63 die Situation zutreffend erläutert,
„die Amazonenstadt selbst, um die es sich doch eigentlich dreht,
auf ein Minimum zusammengedrängt.“ Es ist wiederum'bloß eine
Abbreviatur, diesmal ein Ausschnitt in anderer Richtung: ,,in ihm
ist der ganze übrige unsichtbare, sich rechts und links vom Tor her-
umziehende Mauergürtel vertreten.“ Auch in der Troilosszene der
Frangoisvase (FR. 11/12) sind der Vorgang selber und die Stadt-
mauer von Troja auf einer Fluchtlinie nebeneinander gereiht3. An
1 Es ist ohne Zweifel die Ermordung des Troilos (Welcker, Annali 1833,
251 ff.; Jahn a. 0.; Hackl, Führer durch d. Yasensamml. 1908 S. 34 u. andere,
zuletzt M. Schmidt, Troika 41 u. M. Mayer b. Roscher Y 1224f), nicht Iliu-
persis und Tötung des Astyanax (Furtwängler, Führer 1895 S. 17, ihm fol-
gend Reinach, Repert. I 76); dort hätten die sprengenden Rosse nichts zu
suchen. So aber erklären sich der Altar des Apoll, der trauernde Priamos,
Athena, und die aus dem Stadttor zu Hilfe eilenden Krieger, wie auf der Fran-
goisvase, aufs beste. Und nur so das Treiben auf der Stadtmauer, obwohl es,
wie gesagt, nur in bedingtem Sinne richtig ist, daß „Haupt- und Schulterbild
zusammen eine Darstellung bilden“ (Hackl).
2 Thiersch, Tyrrhenische Amphoren 64 Abb., vgl. S. 160 Nr. 54.
3 Ein Beispiel derselben Kompositionsart in der jüngeren Kunst: der
Stuckfries aus Casa di Omero in Pompeji, mit Szenen aus Ilias XXIV; s.
Bulas, Les illustrations antiques de l’Iliade 122ff. Das eine Bild (abgeb.
Dedalo 4, 1923—24, 679) zeigt die Stadtmauer mit dem Skäischen Tor, dar-
über Priamos u. Mitglieder seiner Familie, die sich flehend über die Brüstung
niederbeugen; das rechts anschließende (S. 678) den in den Kampf eilenden
Hektor, von einer Erinnys geführt, zurückblickend, in großen Figuren. Auch
hier ist das Nebeneinander durch das niedrige Friesformat bedingt.
 
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