Neue Darstellungen griechischer Sagen: I. Kreta.
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spricht für Abhängigkeit von gemeinsamem Vorbild. Oder vorsich-
tiger ausgedrückt, für eine bildliche Tradition, der schon die geo-
metrische Vase folgt. Auf der Kanne von Tragliatella nun ist diese
Flucht zur See vereinigt mit der Vorgeschichte, der Übergabe des
Knäuels durch Ariadne an Theseus, und zwar im Beisein der Amme,
genau so wie auf der Francoisvase. Die Deutung, die Robert für
jenes Bild des achten Jahrhunderts in Vorschlag brachte, dürfte
somit gesichert sein.
Leider fehlt heute der Bronze aus der Idäischen Grotte eben
das, worauf es ankommt, Ariadnes vornehmstes Attribut, da Kopf
und erhobene rechte Hand der weiblichen Gestalt weggebrochen
sind. Dagegen erstrahlt nun auf unserer Vase aus Knossos der
sagenberühmte .Schmuck in voller Pracht auf dem Haupt der Träge-
rin selber1. Als eine Art Diadem nämlich hat schon Payne a. 0. 287
den seltsamen Kopfputz erkannt; bloß die naheliegende Folgerung
hat er nicht gezogen. Ganz unverkennbar ist es keine haubenartige
Kopfbedeckung, sondern ein heller zylindrischer Reif, über dem
noch der Scheitel des dunklen Haares sichtbar wird. Schon die
kretisch-mykenische Kultur kennt das Metalldiadem, neben der
einfachen Haarbinde aus Stoff, in allen Abwandlungen vom ein-
fachen Ring bis zur hohen und reichverzierten Krone2. Sehr oft
ist es nach oben erweitert, und das leichte Auskragen des Randes,
das etwas an das Würdeabzeichen orthodoxer Geistlicher erinnert,
hat den böotischen Terrakotten des 6. Jahrhunderts, unseres
Wissens aber auch den so massenhaft vorkommenden Tonidolen
jüngermykenischer Zeit den Namen „pappades“ eingetragen, denn
man hat diese Kopfzier auch wirklich als Mütze mißverstanden3 4.
Indessen ist nach den Feststellungen von Valentin Müller in
allen Fällen ein oben geöffneter Aufsatz gemeint, legt sich doch bis-
weilen eine lange Haarsträhne von innen über seineWandungLWenn
nicht immer die gleiche Höhe gewahrt bleibt, so ist daran bloß die
ungenaue plastische Formung schuld; in Wirklichkeit scheint der
1 Auf die übereinstimmende Haltung der beiden Figuren sei immerhin
aufmerksam gemacht!
2 Siehe die Formentabellen bei Valentin Müller, Der Polos, die griech.
Götterkrone (Diss. Berlin 1905). Hier auch reiches Vergleichsmaterial aus der
folgenden Zeit. Eine chronologische Bestimmung erlaubt die Form als solche
nicht (S. 46). Über die Ableitung der archaisch griechischen Zackenkrone von
der minoischen, wohl dank ihrer Weiterverwendung im Kult, AM. 50, 1925, 54.
3 z. B. Furtwängler, Gemmen III 43.
4 a. O. 16ff.
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spricht für Abhängigkeit von gemeinsamem Vorbild. Oder vorsich-
tiger ausgedrückt, für eine bildliche Tradition, der schon die geo-
metrische Vase folgt. Auf der Kanne von Tragliatella nun ist diese
Flucht zur See vereinigt mit der Vorgeschichte, der Übergabe des
Knäuels durch Ariadne an Theseus, und zwar im Beisein der Amme,
genau so wie auf der Francoisvase. Die Deutung, die Robert für
jenes Bild des achten Jahrhunderts in Vorschlag brachte, dürfte
somit gesichert sein.
Leider fehlt heute der Bronze aus der Idäischen Grotte eben
das, worauf es ankommt, Ariadnes vornehmstes Attribut, da Kopf
und erhobene rechte Hand der weiblichen Gestalt weggebrochen
sind. Dagegen erstrahlt nun auf unserer Vase aus Knossos der
sagenberühmte .Schmuck in voller Pracht auf dem Haupt der Träge-
rin selber1. Als eine Art Diadem nämlich hat schon Payne a. 0. 287
den seltsamen Kopfputz erkannt; bloß die naheliegende Folgerung
hat er nicht gezogen. Ganz unverkennbar ist es keine haubenartige
Kopfbedeckung, sondern ein heller zylindrischer Reif, über dem
noch der Scheitel des dunklen Haares sichtbar wird. Schon die
kretisch-mykenische Kultur kennt das Metalldiadem, neben der
einfachen Haarbinde aus Stoff, in allen Abwandlungen vom ein-
fachen Ring bis zur hohen und reichverzierten Krone2. Sehr oft
ist es nach oben erweitert, und das leichte Auskragen des Randes,
das etwas an das Würdeabzeichen orthodoxer Geistlicher erinnert,
hat den böotischen Terrakotten des 6. Jahrhunderts, unseres
Wissens aber auch den so massenhaft vorkommenden Tonidolen
jüngermykenischer Zeit den Namen „pappades“ eingetragen, denn
man hat diese Kopfzier auch wirklich als Mütze mißverstanden3 4.
Indessen ist nach den Feststellungen von Valentin Müller in
allen Fällen ein oben geöffneter Aufsatz gemeint, legt sich doch bis-
weilen eine lange Haarsträhne von innen über seineWandungLWenn
nicht immer die gleiche Höhe gewahrt bleibt, so ist daran bloß die
ungenaue plastische Formung schuld; in Wirklichkeit scheint der
1 Auf die übereinstimmende Haltung der beiden Figuren sei immerhin
aufmerksam gemacht!
2 Siehe die Formentabellen bei Valentin Müller, Der Polos, die griech.
Götterkrone (Diss. Berlin 1905). Hier auch reiches Vergleichsmaterial aus der
folgenden Zeit. Eine chronologische Bestimmung erlaubt die Form als solche
nicht (S. 46). Über die Ableitung der archaisch griechischen Zackenkrone von
der minoischen, wohl dank ihrer Weiterverwendung im Kult, AM. 50, 1925, 54.
3 z. B. Furtwängler, Gemmen III 43.
4 a. O. 16ff.