Neue Darstellungen griechischer Sagen: I. Kreta.
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spüren. Schon nach Gestalt und Verzierung mutet das Gefäß
(Tafel 1) seltsam ungriechisch an. Und Langlotz hat wohl recht,
wenn er diese ganze Gattung tönerner Pithoi zum Kulturinventar
jener Eteokreter rechnet, die noch in geschichtlicher Zeit mit so
bemerkenswerter Zähigkeit am angestammten minoischen Erbe
festhalten1. Manches, was zum Gebaren des auf Kreta sehr selbst-
sicher auftretenden Dorertums in offenem Widerspruch steht und
mit dessen straffem Formenwillen sich schlechterdings nicht in
Einklang bringen läßt, erklärt sich wohl anstandslos aus dem da-
mals regen Verkehr mit dem benachbarten Kypros; so dürften die
Form der Vase mit ihrer eigenartigen Standvorrichtung, die poly-
chrome Bemalung und manche Einzelheiten des dekorativen
Systems von dort übernommen oder doch beeinflußt sein2. In-
dessen, gerade in den ornamentalen Dingen verrät sich anderseits
ein starker Einschlag minoischer Reminiszenzen3. Das gleiche betrifft
nun aber auch die figürliche Darstellung. Will man das hinsichtlich
der Entführungsgeschichte selbst nicht gelten lassen4, so bleibt
doch, in Erscheinung und Gehaben beider Figuren, genug übrig,
was unverkennbar den Stempel altkretischen, vorhellenischen Ur-
sprungs trägt.
An der Tracht des Mannes fallen besonders die geschäfteten
1 In einem Aufsatz, der demnächst erscheinen wird. Auch in den durch-
brochenen Bronzereliefs erblickt L. den Ausdruck dieses anders gearteten
Kunstwollens. Ist das richtig, so fällt auf die Gruppe aus der Idäischen Grotte
(S. 29) ein neues Licht.
2 Payne, BSA. 29, 1927—28, 239 (Gefäßtypus), 281 f. (bunte Matt-
malerei). Einwirkung kyprischer Keramik auf Kreta auch 248 Nr. 74, 250
Nr. 80, 254 Nr. 103, 256 Nr. 120, 121 (Import?), 294ff. Zum Zweig des einen
Schulterbildes auf unserem Pithos Taf. 13, 3 vgl. das Motiv einer kypr. Vase
284 Abb. 35.
3 Ebenda 244 Nr. 58 Taf. 17—19, 290—292. Über das Nachleben des
minoischen Elements in der kret. Keramik im allgemeinen Doro Levi, Annuar.
Atene 10—12, 1927—29, 625 — 643. Zur ganzen Frage auch, stark einschrän-
kend, Val. Müller, AM. 50, 1925, 51 ff.
4 Für die Echtheit jenes angeblich aus der Hafenstadt von Knossos
stammenden minoischen Goldrings (Evans, Palace II 250 Abb. 147b; ThuA.
13 Abb. 11), die ich in Zweifel gezogen (vgl. auch Schweitzer, DLZ. 1931, 70),
tritt neuerdings M. Bieber, Gnomon 11, 1935, 256 ein. Ich leugne die Möglich-
keit nicht, muß jedoch den Wunsch nach genaueren Angaben über das rätsel-
hafte Stück und vor allem nach einer zuverlässigen Abbildung dringend wieder-
holen. In seinen Katalog der kret.-myken. Schiffsdarstellungen hat Marina-
tos, BCH. 57, 1933, 170 f. den Ring nicht aufgenommen; er wird also in Hera-
klion jedenfalls als Fälschung betrachtet.
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spüren. Schon nach Gestalt und Verzierung mutet das Gefäß
(Tafel 1) seltsam ungriechisch an. Und Langlotz hat wohl recht,
wenn er diese ganze Gattung tönerner Pithoi zum Kulturinventar
jener Eteokreter rechnet, die noch in geschichtlicher Zeit mit so
bemerkenswerter Zähigkeit am angestammten minoischen Erbe
festhalten1. Manches, was zum Gebaren des auf Kreta sehr selbst-
sicher auftretenden Dorertums in offenem Widerspruch steht und
mit dessen straffem Formenwillen sich schlechterdings nicht in
Einklang bringen läßt, erklärt sich wohl anstandslos aus dem da-
mals regen Verkehr mit dem benachbarten Kypros; so dürften die
Form der Vase mit ihrer eigenartigen Standvorrichtung, die poly-
chrome Bemalung und manche Einzelheiten des dekorativen
Systems von dort übernommen oder doch beeinflußt sein2. In-
dessen, gerade in den ornamentalen Dingen verrät sich anderseits
ein starker Einschlag minoischer Reminiszenzen3. Das gleiche betrifft
nun aber auch die figürliche Darstellung. Will man das hinsichtlich
der Entführungsgeschichte selbst nicht gelten lassen4, so bleibt
doch, in Erscheinung und Gehaben beider Figuren, genug übrig,
was unverkennbar den Stempel altkretischen, vorhellenischen Ur-
sprungs trägt.
An der Tracht des Mannes fallen besonders die geschäfteten
1 In einem Aufsatz, der demnächst erscheinen wird. Auch in den durch-
brochenen Bronzereliefs erblickt L. den Ausdruck dieses anders gearteten
Kunstwollens. Ist das richtig, so fällt auf die Gruppe aus der Idäischen Grotte
(S. 29) ein neues Licht.
2 Payne, BSA. 29, 1927—28, 239 (Gefäßtypus), 281 f. (bunte Matt-
malerei). Einwirkung kyprischer Keramik auf Kreta auch 248 Nr. 74, 250
Nr. 80, 254 Nr. 103, 256 Nr. 120, 121 (Import?), 294ff. Zum Zweig des einen
Schulterbildes auf unserem Pithos Taf. 13, 3 vgl. das Motiv einer kypr. Vase
284 Abb. 35.
3 Ebenda 244 Nr. 58 Taf. 17—19, 290—292. Über das Nachleben des
minoischen Elements in der kret. Keramik im allgemeinen Doro Levi, Annuar.
Atene 10—12, 1927—29, 625 — 643. Zur ganzen Frage auch, stark einschrän-
kend, Val. Müller, AM. 50, 1925, 51 ff.
4 Für die Echtheit jenes angeblich aus der Hafenstadt von Knossos
stammenden minoischen Goldrings (Evans, Palace II 250 Abb. 147b; ThuA.
13 Abb. 11), die ich in Zweifel gezogen (vgl. auch Schweitzer, DLZ. 1931, 70),
tritt neuerdings M. Bieber, Gnomon 11, 1935, 256 ein. Ich leugne die Möglich-
keit nicht, muß jedoch den Wunsch nach genaueren Angaben über das rätsel-
hafte Stück und vor allem nach einer zuverlässigen Abbildung dringend wieder-
holen. In seinen Katalog der kret.-myken. Schiffsdarstellungen hat Marina-
tos, BCH. 57, 1933, 170 f. den Ring nicht aufgenommen; er wird also in Hera-
klion jedenfalls als Fälschung betrachtet.