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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 1. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 2: Picenum — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41988#0060
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Arnold von Salis:

gerade abwärts, am Original und auch auf der Abbildung bei Bri-
zio sind darunter die Umrisse des linken Unterarms und der
Hand noch zu erkennen. Über diesem steht ein Mann, der ihm mit
beiden Händen seinen mächtigen Speer in die Seite stößt; von der
Stelle, wo die Lanzenspitze den Körperumriß des Gefallenen be-
rührt, läuft eine Blutspur senkrecht über den Oberschenkel her-
unter1. Der längliche Gegenstand rechts unten, teilweise von leicht
gewelltem Kontur, dessen Oberfläche zur Hälfte abgeblättert ist,
hat die Form eines vom Rumpf gelösten menschlichen Beins, mit
der Wade nach oben, der Fuß rechts fehlt2. Sicher scheint mir, daß
der Mann mit dem Beil im Begriffe ist, seinem Opfer das Haupt ab-
zuschlagen, und daß auch der andere mit dem Speer das seine zu
zerfleischen sucht.
Also eine Hinrichtung ? Die erstgenannte Szene entspräche
genau dem, was wir über den Vollzug der poena capitis im alten
Rom hören: ,,es werden bei dieser Exekution dem Verurteilten die
Hände auf den Rücken gebunden, er selbst an einen Pfahl gefesselt,
entkleidet und gegeißelt, alsdann auf den Boden hingestreckt und
also durch Beilschlag enthauptet3.“ So noch während der ganzen
republikanischen Zeit; erst unter dem Prinzipat beginnt das
Schwert, als das charakteristische Zeichen des damit eintretenden
Militärregiments, das Henkerbeil zu verdrängen. Die Durchbohrung
mit dem Speer, was die Gruppe rechts auf der Stele darzustellen
scheint, ist uns jedenfalls als eine germanische Form der Todesstrafe

1 Daß der Mann „quasi in riposo, con la lancia rivolta a terra“ stehe, ist
höchst unwahrscheinlich; auch reichte die Spitze doch viel zu tief herab.
2 Natürlich wäre es zwecklos, nach dem zugehörigen Leichnam zu su-
chen; das Ganze stellt eine Schlächterei dar, möglicherweise auch nur den
Ausschnitt aus einer umfangreicheren Komposition. Das Ding wird übrigens
in den Beschreibungen nirgends erwähnt. Um so lebhafter hat das links be-
nachbarte die Phantasie der Erklärer beschäftigt: nach Hoernes-Menghin
wäre es eine Schlange, nach Brizio „un animale serpeggiante, di statura
maggiore degli uomini, con testa grandissima e quattro gambe, della forma
insomma di un coccodrillo, ma in cui, senza dubbio, il rüde artista volle figurare
una lucertola“. Auch bei Reisch taucht das „langgestreckte Tier, einer über-
großen Eidechse ähnelnd“ wieder auf. Dann soll das herankriechende Krokodil
wohl den saftigen Fleischfetzen verschlucken ? möglich ist hier alles. Wir aber
gestehen, mit dem Gewürm in diesem Milieu nichts anfangen zu können, zu
deuten wissen wir es nicht.
3 Mommsen, Röm. Strafrecht (Bindings Handbuch d. deutschen Rechts-
wissenschaft I 4) 916ff.; die Belegstellen 918 Anm. 1—3.
 
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