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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 1. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 2: Picenum — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41988#0068
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Arnold von Salis:

opfert1. Gleichfalls an ein Opfer für Poseidon wurde gedacht bei
dem (nicht mehr zu lokalisierenden) Brauch, wonach ein Jüngling
alljährlich έπ* απαλλαγή των συνεχόντων κακών ins Meer geworfen
wurde2. Der apotropäische Charakter kommt hier aber klar zum
Ausdruck, wie ja auch beim Sturz vom leukadischen Felsen άπο-
τροπης χάριν oder beim Felsensturz eines armen „Sündenbocks“
in Massilia3.
Nach der Ansicht von Wissowa hätte der Brauch des Erträn-
kens als Sühnemittel dem altrömischen Ritual gefehlt und erst
verhältnismäßig spät, wahrscheinlich im dritten Jahrhundert v.
Chr., in schwerer Kriegsnot, auf Weisung sibyllinischer Sprüche und
in Befolgung griechischer Sitte, in Rom Aufnahme gefunden. Es
handelt sich um die Argeer-Zeremonie, dieses „Kreuz der Alter-
tumsforscher4“, wonach jährlich am 14. Mai vom alten Pons sub-
licius herab 27 Puppen aus Binsenstroh in den Tiber geworfen wur-
den, zweifellos als Ersatz eines erstmals tatsächlich ausgeführten
Sühnemords5. Die Legende freilich verlegte den Ursprung dieser
stellvertretenden Zeremonie in uralte Zeit; denn schon Hercules,
heißt es, habe mit dem grausigen Brauch, daß zu Ehren des Saturn
an Händen und Füßen gefesselte Menschen in den Fluß gestürzt
wurden, aufgeräumt und statt ihrer die Verwendung von Stroh-
männern vorgeschlagen und eingeführt6. Wie immer man über den
„Brückensturz der Argeer“ denken mag — die Bedeutung des
Namens ist nach wie vor umstritten —, auf jeden Fall ist es das
harmlose Nachleben einer unzweifelhaft sehr alten Form eines

1 Ebenda 182. Cassius Dio 48, 48, 5.
2 Photiusu. Suidas s. v. περίφημα. Fiehn, RE. VA, 1296 (Thargelia).
3 Schwenn 48; Fiehn, a. O. 1295, 1304. Schon die Bezeichnung dieser
Sühnopfer als φαρμακοί spricht ja deutlich für den magischen, unheilabwehren-
den Zweck.
4 Huschke, Das römische Jahr 86.
5 Wissowa, Gesamm. Abhdl. 211 ff.; RE. II 689—700 (s. v. Argei);
Religion u. Kultus der Römer 60, 2831, 420. Brüllow-Schalkosky, Wiener
Studien 33, 1911,155ff.; Schwenn, 152—154 u. RE. XV 955.
6 Dion. Hai. I 38, 2. Zu diesen simulacrahominum scirpea (Yarro, delingua
lat. VII 44)fehlt es nicht an interessanten ethnologischen Parallelen, z. B. die
in Japan zu Sühnezwecken verwendeten Papierfiguren: Jeremias, Allg. Reli-
gionsgesch. 2 200; RE. Va, 1297. Auch die rituellen Taucherspiele, Almgren,
a. O. 691, sind wohl als Surrogat des Ertränkens zu verstehen. Dagegen scheinen
die Funde zahlreicher Knochen von Tieren und Menschen in bronzezeitlichen
Opferteichen Schwedens auch die wirklich durchgeführte Tötung zu beweisen,
ebenda 1261
 
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