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Salis, Arnold [Hrsg.]; Salis, Arnold [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 1. Abhandlung): Neue Darstellungen griechischer Sagen, 2: Picenum — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41988#0077
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Neue Darstellungen griechischer Sagen: II. Picenum.

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senen Flügeln, auf besonderem kleinen Postament. Vertritt der
Vogel die Göttin, unter deren Schutz ja dem Helden die kühne
Tat gelingt1 ? Und besteht zwischen Löwe und Kauz unserer Stele
vielleicht doch ein sachlicher Zusammenhang ? Wir denken dabei
an jene andere auf Rhodos gefundene Vase (oben S.8, Anm. 3) mit
Herakles’ Löwenkampf, wo der ,,Baum“ hinter dem Raubtier als
Andeutung der Wildnis verstanden werden könnte. Sind wir etwa
wiederum einer bildlichen Tradition auf der Spur, die, seltsam ge-
tarnt und gründlichst von allem heroischen Nimbus gesäubert,
hinabreicht bis in die Zeit des sinkenden Altertums ? Ein Schwarz-
weiß-Mosaik vom römischen Castrum Praetorium, jetzt im Ein-
gangskorridor des Thermenmuseums2, schildert eine Arena-Szene:
einem mächtigen Tiger tritt der bestiarius entgegen3. Unmittelbar
daneben, auf einer Ranke des breiten Bildrahmens, hockt ein großer
Kauz. Da der Vogel das einzige figürliche Beiwerk in dem sonst
rein abstrakt stilisierten Pflanzenmuster ist, und da ihm — die
Richtigkeit der Ergänzung natürlich vorausgesetzt4 — das bei der
1 So sicher auf einer Gemme strengen Stils in Berlin, Furtwängler,
Gemmen Taf. 10, 4 S. 49; Roscher I 2156, 7ff.: Athenas Kauz hat sich auf die
Schulter des Löwenbesiegers gesetzt; der hält in der Rechten die Keule, die
vorgestreckte Linke weist das erbeutete Fell.
2 Bossari, NSc. 1889, 224; Paribeni, Mus. Naz. Rom.2 64 Nr. 58.
3 Die Sache sieht freilich mehr einem unblutigen Dressurakt als einem
ernsthaften Tierkampf ähnlich. Die Bestie trägt eine Schelle um den Hals, der
Mann hält in der gesenkten Linken sein Messer, während die erhobene Rechte
sich wie beschwichtigend dem brüllend geöffneten Rachen nähert. Ein mit
langer Rute versehener Kollege treibt ihm das Tier von hinten zu. Bossari
spricht denn auch von ,,due domatori“; die beigefügte Inschrift scheint sich
aber doch auf die üblichen Tierhetzen zu beziehen, siehe Paribeni.
4 Nach dem Fundbericht von Bossari ist nur ein Teil des einst viel um-
fangreicheren Fußbodens erhalten, die Ornamentleiste stark restauriert; wasalies
modern geflickt ist, konnte ich auch am Original nicht im einzelnen feststellen.
Erst nach Abschluß des Druckes erhalte ich Einblick in den Aufsatz
von E. Staedler über das bekannte „Spottkruzifix“ vom Palatin, BullCom.
63. 1935 (1936), 97 ff. Hier erfährt auch unser Mosaik (abgeb. S. 101 Fig. 2,
aber ohne den ornamentalen Rahmen) eine neue Auslegung: der Yerf. ver-
mutet in ihm das Votiv eines bestiarius. Mir ebenso unwahrscheinlich wie
seine Erklärung des sog. Pädagogiums am Südhang des Palatin als eines
Höhensanatoriums für blessierte Zirkuskutscher! Solche Mosaikfußböden
können schwerlich Weihgeschenke von „Artisten“ sein. Auch wäre die
Verdoppelung des Stifters in einer geschlossenen figürlichen Gruppe auf
alle Fälle ohne Beispiel. Daß wir vielmehr nur den zufälligen Ausschnitt
aus einer größeren Komposition vor uns haben, beweist die gesenkte Rute
einer links folgenden Figur; das Bild setzte sich also in dieser Richtung fort.
 
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