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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 2. Abhandlung): Vier Predigten im Geiste Eckharts — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41989#0123
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5. Loquimini ad petram (n. 5 — 6).

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eine andere Deutung geben, daß nämlich Christus in der Mitte jenes
Tages, als die Sonne im Zenit stand, erschien; und da in der Hei-
ligen Schrift auch der Geist als Sonne bezeichnet wird, so können
wir nicht mit Unrecht aus den Stunden den Unterschied der Geister
erfassen, wonach der eine Geist gleichsam kindlich ist, ein anderer
knabenhaft, ein anderer wie der des Reifenden, ein anderer nach
Art des Jünglings, ein anderer wie der des Fortschreitenden, ein
anderer männlich oder wie der des Vollendeten. In ähnlicher Weise
unterscheidet ja auch Paulus; er sagt, er sei ein Kind gewesen,
weil er wie ein Kind dachte, und später ein Mann (geworden),
als er wie ein Mann dachte. Dem entspricht, daß (überhaupt)
das Unvollkommene vorausgeht, und die Unvollkommenheit be-
seitigt wird, wenn die Vollkommenheit eintritt. Es war aber um
die sechste Stunde dieses Welttages, als nämlich die Sonne in
Christus Jesus ihren höchsten Stand erreichte, der ,,die Sonne der
Gerechtigkeit“, die Fülle des Lichtes selbst war, ,,das jeden Men-
schen erleuchtet“. Immer also entspricht diese Stunde Christus.
Hier aber wird sie deshalb besonders hervorgehoben, weil erwähnt
wird, er sei von der Wanderung ermüdet gewesen; so gibt er hier-
für die Ursache an, daß er nämlich bis zur sechsten Stunde ge-
wandert sei.
0. „Da kam ein Weib aus Samaria, Wasser zu schöp-
fen.“ Das Weib bedeutet die fleischliche Gesinnung, die ihre Lust
in allen fünf Sinnen sucht und nicht nach dem Gesetze der Ver-
nunft wandelt, sondern in der eigenen Begierlichkeit. ,,Sie kam
aus Samaria“, obgleich sie in Samaria blieb; denn der Brunnen
war in Samaria. Weil sie aber zu dem Brunnen des lebendigen
W assers kam, der nicht zu Samaria gehörte, deshalb (heißt es:)
sie kam aus Samaria. ,,Wasser zu schöpfen“: es ist Wasser im
Brunnen, und es ist das Wasser der Weisheit ob dem Brunnen.
Hat der Mensch großen Durst, so begehrt er einen kühlen Trank.
Denn der erhitzte Geist des äußeren Menschen sehnt sich nach
einer Erfrischung; so sagte Paulus denen Dank, die seinen Geist
12—15. cf. HUGO DE S. CH ARO i. h. I.: „Exprimens ergo causam sessio-
nis, pro aestu subdit: ’Hora autem’ etc. Ex hoc patet, quod satis laboraverat,
qui continue usque ad sextam et velociter ierat.“ 16. Ioh. 4, 7.
16. Mulier carnalitas est. Cf. HUGO DE S. CHARO i. h. I.
17. AUGUSTINUS In Ioh. tr. 15 n. 21, PL 35, 1518, dicit quinque
viros mulieris Samaritanae [Ioh. 4, 18) quinque sensus significare. Qua inter-
pretatione ECHARDUS saepius utitur; e. gr. Pr. XXXI 109, 25—27; LVII1
186, 9—11. 24. cf. 1 Cor. 16, 18.
 
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