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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1936/37, 2. Abhandlung): Vier Predigten im Geiste Eckharts — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41989#0184
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184

Josef Koch Cusanus-Texte: I. Predigten 2/5.

harts in die eigene Sprache des Cu sanus. So übersetzt er Eck-
harts Gedanken, daß Gott in jedem Wesen ist, insofern es ein
Seiendes ist, in keinem, insofern es dieses Seiende ist, mit dem
schon in der Apologia Doctae Ignorantiae1 gebrauchten Terminus:
Gott ist ,,quasi forma formarum, forma absoluta, quae dat formis
esse“ (n. 17). In n. 18 wird Eckharts Gedanke, daß Gott nur in
den Dingen ist, insofern sie Seiendes sind, mit geringer Variation
wiederholt. Cu sanus übersetzt nunmehr (n. 19): das absolute Sein
ist in allen Geschöpfen, aber ,,incontracte ad hoc vel illud“. Daß
Cusanus sodann Eckharts Lehre von der Weltschöpfung nicht
nur erläutert, sondern verteidigt, wurde schon wiederholt betont2.
Aber auch im ersten Hauptteil der Predigt haben wir solche
Erläuterungen der Eckhartschen Lehre und wir begegnen auch
einer ähnlichen Formel wie oben: ,,Et mihi videtur“ (n. 6). Hier
führt Cusanus zur Erläuterung der Eckhartschen Lehre von Gott
als dem Ort aller Dinge aus, daß Gott als die Ruhe das „bestän-
dige und immerwährende Sein der Bewegung ist“. ,,Qui enim in
coincidentiam principii et finis attendit, atque quod in absoluto
termino termini a quo et ad quem coincidunt, ille videt huius
veritatem“. Wir haben also wieder denselben Vorgang: der Pre-
diger übersetzt Eckhart in die Sprache der Docta Ignorantia.
Was ergibt sich nun daraus für das Verhältnis des Cusanus
zu Eckhart? Wenn er noch 1456 das Bedürfnis hat, Eckharts
Gedanken in seine eigene Sprache zu übersetzen, und zwar in die
Sprache seines Hauptwerkes, dann folgt, daß dieses Werk und die
Sprache, die es redet, nicht unter dem Einfluß Eckharts ent-
standen ist. Denn sonst könnte man das Verfahren des Cusanus
nicht verstehen. Damit erhält die oben auf ganz anderem Wege
bewiesene These, daß der Einfluß Eckharts auf Cusanus erst nach
der Abfassung seines Hauptwerkes einset zt, eine neue starke Stütze.

1 Vgl. Apol. Doct. Ignor. S. 26 5ff. — Vielleicht war die Schrift Robert
Grossetestes, De unica forma omnium (hrsg. von L. Baur in: Die philos.
Werke des R.G., 1912, S. 106—111), die unmittelbare Quelle, aus der Cusa-
nus die Bezeichnung Gottes als „forma formarum“ schöpfte. Jedenfalls
zitiert er diese Schrift ausdrücklich in der Predigt „Verbum caro factum est“
(1443) n. 12 (C 57v; Vx 38ra): „Sed ut aliquantulum intelligamus, assumamus
dictum Linconiensis in libello suo De forma prima“ etc. In p steht (f. 13r)
statt Linconiensis „cuiusdam philosophantis“!
2 Vgl. oben S. 51 f. und 106—112.
 
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