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Köhler, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 3. Abhandlung): Omnis ecclesia Petri propinqua: Versuch einer religionsgeschichtlichen Deutung — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41995#0030
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30

Walther Köhler:

ist das ganze christliche Rom mit seinem Oikisten Petrus verwandt:
omnis ecclesia Petri propinqua, δλη ή εκκλησία του Πέτρου συγγενής.
Und der Bischof von Rom läßt das Grab des Gründers sprechen.
Es spricht wie der Herr selbst: „Kommet her zu mir alle, die Ihr
mühselig seid und beladen“. Der Herr hat dem Petrus die potestas
delicta donandi, was es auch sei (quaecunque), gegeben, diese
Macht steckt im Petrusgrab und strömt von da aus über die ganze
Gemeinde und ihren Führer. Man könnte sich denken, daß Kallist,
der um Anerkennung Ringende, auf die Nutzung der Kraft des
Oikistengrabes auch durch die Ideologie des Romulusgrabes bzw.
der Caesarverehrung geführt wurde: diese Gedanken verstand das
große Publikum, das er suchte und brauchte135. Cicero hatte die
Ahnen seines Volkes noch im Grabe am Wohl des Staates mit-
arbeiten sehen136. Anderseits hat im christlichen Bewußtsein tat-
sächlich. das Martyrium des Petrus — und dessen Bezeugung war
sein Grab — ihn zum römischen Bürger gemacht. Papst Damasus
bekundete es: sanguinis ob meritum .... Roma suos potius meruit
defendere cives137.
Bischof Kallist hat also als erster römischer Bischof und Nach-
folger des Petrus auf seiner cathedra die dem Apostel Mt. 16, 18
vom Herrn verliehene potestas ligandi et solvendi ausgeübt. Nicht
kraft griechischen Erbrechtes138, sondern de iure derivationis ex
135 Selbstverständlich gebe ich damit nur eine mögliche Perspektive.
Aber die Formulierung der Antonius-Rede dürfte doch zu denken geben: sie
verrät den Zusammenhang, in den die Formel omnis ecclesia Petri propin-
qua gehört.
136 J. G. Plumpe: „Wesen und Wirkung der Auctoritas Majorum bei
Cicero“. Diss. Münster 1932, 9.
137 PI. Lietzmann: „Petrus und Paulus in Rom“, 2. Aufl. 1927, 146.
Ich notiere, daß noch Calvin (Briefwechsel, hrsg. von Rud. Schwarz I, 1909,
408) die Kirche Chris! i mit der „Romulus-Brut“ konfrontiert. Girolamo Seri-
pando stellt den Märtyrertod des Paulus und Petrus der Bluttat des Romulus
gegenüber (H. Jedin: „G. Seripando“ I, 1937, 84). Auch das ist eine alte
Tradition.
138 So K. D. Schmidt: „Papa Petrus ipse“ (ZKG. 54, 27011'.). Hier ist
das Problem sehr richtig gestellt: „Wie ist es denkbar, daß in einem Men-
schen von Fleisch und Blut ein anderer längst Verstorbener das eigentlich
handelnde Subjekt bildet, daß die Taten eines Lebenden ihre Würde und ihre
Autorität von der Autorität des sie wirkenden, in ihnen tätigen Toten be-
kommen?“ Aber die Antwort befriedigt — wenigstens für Kallist — nicht.
Und wenn nach Schmidt jeder Erblasser in seinen Erben als juristische Person
weiterlebt, so bleibt noch die Frage offen, wie dp-im der römische Bischof sich
als Erbe des Petrus fühlen kann?
 
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