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Walther Köhler:
ecclesia Romana, nicht mehr148. Mit dem vaticanischen Konzil
von 1870 gesprochen, so lebt in Kallist der Gedanke: „Petrus ad
hoc usque tempus et semper in suis successoribus, episcopis sanctae
Romanae sedis ab ipso fundatae eiusque consecratae sanguine vivit
et praesidet et iudicium exercet (im peremptorischen Edikt)“. Aber
nicht der nun folgende Satz: ,,unde quicunque in hac cathedra
Petro succedit, is secundum Christi ipsius institutionem primatum
Petri in universam ecclesiam obtinet.“ Er hat sich nicht als epic-
copus episcoporum bezeichnet, sondern Tertullian, wohl veranlaßt
durch das peremptorische: ego dimitto (s. ob.), hat ihm diesen An-
spruch unterschoben. Das führt auf die Frage nach der Auf-
fassung und Beurteilung des Ediktes durch den Afrikaner.
Man könnte dem Deutungsversuch a sepulcro Petri herois ent-
gegenhalten: von dem Petrusgrab steht bei Tertullian kein Wort149.
Dem könnte ich entgegenhalten: die übliche Deutung der omnis
ecclesia Petri propinqua steht ebensowenig bei Tertullian und kann
nur auf Umwegen, die stellenweise über Cyprian laufen, und durch
Kombination gewonnen werden. Wir sind in der unglücklichen
Lage, ganz auf Tertullian angewiesen zu sein, der keinen histori-
schen Bericht gibt, sondern ein tendenziöses Urteil, unter Verwer-
tung von Bruchstücken aus den Worten seines Gegners; gerade
aber über die Motivation der derivatio potestatis Petri schwieg er.
In solchen Fällen muß von einem Deutungsversuch nur verlangt
werden, daß er sich nicht in ausschließenden Widerspruch zu den
erhaltenen Nachrichten setzt. Diese Forderung ist zu erfüllen150.
Setzt Tertullian (71, 18ff.) der Ausschlachtung der Petrus-
verheißung durch Kallist entgegen: Super te, inquit (dominus),
aedificabo ecclesiam mearn, et: dabo tibi claves, non ecclesiae, so
ist unter ecclesiae nicht die katholische Kirche zu verstehen, son-
dern die römische = omnis ecclesia Petri propinqua; auf sie war
ja die potestas deriviert (17, 15). Ebenso bezieht sich solverint
vel alligaverint (71, 20) nicht auf „jede Petrus verwandte Kirche“,
148 Sachlich deckt sich also meine Deutung mit der von Stoeckius 95:
idcirco praesumis et ad te derivasse solvendi et alligandi potestatem, id est
ad tuam ecclesiam Petri propriam, aber die Willkürlichkeit der Textänderung
ist vermieden.
149 Damit argumentiert z. B. P. Galtier: „Ecclesia Petri propinqua“
(RHE. 24, 1928, 45). Er spricht sogar von einer „Verpflichtung“ (Tertullien
aurait ete obligb) Tertullians, etwas Entsprechendes zu sagen.
150 Die im folgenden angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die
Ausgabe von Preuschen: Tertullian, de paenitentia, de pudieitia, 1891.
Walther Köhler:
ecclesia Romana, nicht mehr148. Mit dem vaticanischen Konzil
von 1870 gesprochen, so lebt in Kallist der Gedanke: „Petrus ad
hoc usque tempus et semper in suis successoribus, episcopis sanctae
Romanae sedis ab ipso fundatae eiusque consecratae sanguine vivit
et praesidet et iudicium exercet (im peremptorischen Edikt)“. Aber
nicht der nun folgende Satz: ,,unde quicunque in hac cathedra
Petro succedit, is secundum Christi ipsius institutionem primatum
Petri in universam ecclesiam obtinet.“ Er hat sich nicht als epic-
copus episcoporum bezeichnet, sondern Tertullian, wohl veranlaßt
durch das peremptorische: ego dimitto (s. ob.), hat ihm diesen An-
spruch unterschoben. Das führt auf die Frage nach der Auf-
fassung und Beurteilung des Ediktes durch den Afrikaner.
Man könnte dem Deutungsversuch a sepulcro Petri herois ent-
gegenhalten: von dem Petrusgrab steht bei Tertullian kein Wort149.
Dem könnte ich entgegenhalten: die übliche Deutung der omnis
ecclesia Petri propinqua steht ebensowenig bei Tertullian und kann
nur auf Umwegen, die stellenweise über Cyprian laufen, und durch
Kombination gewonnen werden. Wir sind in der unglücklichen
Lage, ganz auf Tertullian angewiesen zu sein, der keinen histori-
schen Bericht gibt, sondern ein tendenziöses Urteil, unter Verwer-
tung von Bruchstücken aus den Worten seines Gegners; gerade
aber über die Motivation der derivatio potestatis Petri schwieg er.
In solchen Fällen muß von einem Deutungsversuch nur verlangt
werden, daß er sich nicht in ausschließenden Widerspruch zu den
erhaltenen Nachrichten setzt. Diese Forderung ist zu erfüllen150.
Setzt Tertullian (71, 18ff.) der Ausschlachtung der Petrus-
verheißung durch Kallist entgegen: Super te, inquit (dominus),
aedificabo ecclesiam mearn, et: dabo tibi claves, non ecclesiae, so
ist unter ecclesiae nicht die katholische Kirche zu verstehen, son-
dern die römische = omnis ecclesia Petri propinqua; auf sie war
ja die potestas deriviert (17, 15). Ebenso bezieht sich solverint
vel alligaverint (71, 20) nicht auf „jede Petrus verwandte Kirche“,
148 Sachlich deckt sich also meine Deutung mit der von Stoeckius 95:
idcirco praesumis et ad te derivasse solvendi et alligandi potestatem, id est
ad tuam ecclesiam Petri propriam, aber die Willkürlichkeit der Textänderung
ist vermieden.
149 Damit argumentiert z. B. P. Galtier: „Ecclesia Petri propinqua“
(RHE. 24, 1928, 45). Er spricht sogar von einer „Verpflichtung“ (Tertullien
aurait ete obligb) Tertullians, etwas Entsprechendes zu sagen.
150 Die im folgenden angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die
Ausgabe von Preuschen: Tertullian, de paenitentia, de pudieitia, 1891.