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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0012
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2

Elisabeth B o h n e k s tä d t :

Werk 'Von der Gottesgemeinde’ (De cwitate Bei)*). Diese Schrift
stellt in ihrem Kerne zwei absolut verschiedene Zustände einander
gegenüber, die civitas divina und die civitas terrena, zwei Arten von
„Staat“ im Sinne von Zusammengehörigkeit — zwar nur im ersten
Falle wirkliche Gemeinschaft —, die beide schon jetzt in der Welt
durch die Geschichte gehen, im Leibe gemischt, die Scheidung in
den Herzen der Einzelnen. Es entscheidet nämlich der Wille, die
nur Gott klar erkennbare Ausrichtung entweder auf ihn und seinen
Frieden, die in reiner Liebe zum Nächsten Gemeinschaft erstrebt,
oder auf nur erdengenießende, nach Gott nicht fragende Selbst-
sucht. „Wenn der Mensch gemäß der Wahrheit lebt, lebt er nicht
gemäß seines Selbst, sondern gemäß Gottes . . . Lebt er aber ge-
mäß seines Selbst . . ., dann nicht gemäß Gottes, sondern gemäß
der Lüge. Nicht als ob der Mensch in seinem Selbst Lüge sei; ist
doch Gott der Menschen begründendes Vorbild und Schöpfer . . .
Aber der Mensch ist ja als der wahre, rechte Mensch nicht geschaf-
fen worden, daß er gemäß seiner selbst lebe, sondern daß er gemäß
dessen lebe, von dem er geschaffen worden ist, d. h. auf daß er
viel mehr dessen Willen wirke als etwa 'seinen’. Nicht so leben,
wie man zu leben geschaffen ist, das ist Lüge3.“ Während die
himmlische Gemeinde immer mehr Gott entgegenwächst, seiner
Fülle, sich dieser zu freuen, wächst die irdische Gemeinde in der
Lüge ■— und jedes eitle und böse Wollen ist als Verneinung, Ver-
nichtung des eigentlichen Wesens Lüge — vollständigem Unter-
gang entgegen. Etwas mehr ins einzelne geht die Charakterisie-
rung der beiden Menschenklassen, wie sie durch alle mögliche völ-
kische Vielgestalt des Seins und Lebens hindurch unterscheidbar
sind, z. B. in XIV 28. „Die zwei verschiedenen Weisen der Liebe
waren es, die die zwei verschiedenen Gemeinden bewirkten; die
Selbstliebe nämlich bis zur Nichtachtung Gottes schuf die irdische
Gemeinde; die Gottesliebe bis zur Nichtachtung seiner selbst schuf
die himmlische Gemeinde. Und so rühmt sich denn jene Gemeinde
in sich selbst, diese im Herrn. Jene sucht ihre Verherrlichung von
den Menschen; dieser ist Gott im Bezeugnis des Gewissens ihre
höchste Herrlichkeit. Jene erhebt in eigenem Triumphbewußtsein
ihr Haupt; diese spricht zu ihrem Gott: du bist mein Ruhm, du
*) "Gemeinde’ nimmt insofern mehr den antiken (Stadt-ßStaat’-Begriff
auf, als in diesem die volle Hineinbeziehung des Lebens aller deutlicher zum
Ausdruck kommt als im Begriff des zum Welt-Macht-Reich ausgeweiteten
Römerstaal es.
 
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