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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0087
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Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Gues. 77

IV.
Imperium.
1. Grundgesetzlichkeit des Staates.
Das sinnenhafte Leben steht leitend in der Welt des sinnlich
Erfahrbaren. Die Sinne sind hier gleichsam Herrscher, denn hei
ihnen handelt es sich um unterscheidende Richter, forschende
Wächter und belehrende Feststeller. Dem Sinnenleben ist die
geistig einsichtige Natur übergeordnet, die in allem geistig Erfaß-
baren Herrscherin ist. Und wie der Mensch ob der Edelkeit seines
höheren Denkvermögens König über alle Tiere ist, so ist im eigent-
lichen in allem die vernünftige Natur der Grund des Herr-
sch ens. So sind auch unter den Menschen die in ihrem geistigen
Vermögen Lebensvollsten von Natur aus, in angeborener Art, die
Herren und Lenker der anderen. Je vollendeter in einem Menschen
die Vernunft ist, desto mehr nimmt er von Natur aus am Lenker-
und Herrscheramt teil. Aber keine Verstandeskraft und Denk-
fähigkeit in sich allein, ohne umsichtige und einsichtige Weisheit,
ist zum Lenken und Leiten geeignet. Es wird nämlich im eigent-
lichen der Weisheit gehorcht, die in der Verstandeskraft erstrahlt
und merkbar wird. Durch die Weisheit herrschen alle Herrscher.
Wird ja ein Weiser, wie es heißt, nicht durch Furcht gebrochen,
nicht durch Macht verwandelt, Wohlergehen macht ihn nicht über-
mütig, und keine Traurigkeit läßt ihn untergehen. Er hat ein
ausgeglichenes, gleichmütiges Wesen, das durch den Wechsel der
Dinge weder gedrückt und klein noch aufgeblasen wird. Wo Weis-
heit, da ist kraftvoller Mut, da ist Beharrlichkeit und Stärke. Jeder
Weise ist frei. In ursprünglicher Gegebenheit, von Natur aus, sind
zwar alle Menschen gleich frei, wie sie in ursprünglicher Gegeben-
heit gleich machtfähig sind. Nicht die Natur macht zum Knecht,
aber die Unverständigkeit. Und die Unverständigkeit drückt sich
eigentlich aus in Schuld und Sünde. Der Sünder ist Knecht der
Begierlichkeit, der Habsucht, der Bosheit, des Zornes. So deucht
er sich frei und knechtet sich selbst doch schlimmer, als es ein
tyrannischer Herrscher fertig brächte. Und weil sie sich nicht selbst
lenken können, sind notwendig die Unverständigen zu Dienstbaren
der Verständigen gemacht. -— Der Ursprung aber aller mensch-
 
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