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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0088
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Elisabeth Bohnenstädt:

liehen Überlegungen, ihnen vorausgehend, sind die vom Entstehen
her mitgegebenen Natur rechte (zugleich Naturgesetze). Sie
gehen vor allem und zunächst darauf aus, Leib und Leben zu
schützen, Schädliches abzuwenden, das Nötige zu beschaffen. Da
also das Naturrecht dem vernünftigen Denkvermögen vom Ur-
sprung her innewohnt, ist jedes Gesetz — denn jedes Gesetz muß
hier verwurzelt sein - in seiner Wurzel dem Menschen aus ur-
sprünglicher Verwandtschaft vertraut. Das wahre Gesetz ist in
seinem wirklichen Bestände nicht in Tafeln eingegraben und in
Erz hineingeschnitten, sondern dem Geist eingedrückt und den
Sinnen eingefestigt. Und die sind frei, die nach diesem wahren
Gesetze leben. So steht der Weise nicht unter einem Gesetze,
sondern ist sich selbst das Gesetz, da und indem er das Ursprungs-
gesamt des Gesetzes in seinem Herzen umfaßt. Das wahre Gesetz
auch nach außen geben, bedeutet rechte Überlegung und Rede.
Und da der Mensch allgemein ein Gemeinschaftswesen ist, zur Ver-
gemeinschaftung und Gesittung geneigt, werden die Weiseren und
Vorzüglicheren zu Lenkern genommen, auf daß sie aus ihrem von
Natur klarerem Denkvermögen, ihrem klugen Erwägen und ihrer
W eishe.it gerechte Gesetze erstehen lassen. Mittels dieser sollen sie
dann alles lenken, die Möglichkeiten abwägen, die verschiedenen
Rechtsangelegenheiten besprechen, daß gemäß des Gutachtens der
Einsichtigeren der Friede gewahrt werde. So gewinnen aus dem
Naturrecht ihr Entstehen die Gemeinden, deren Bürger eine Ein-
heit bilden; die Gesetze, auf daß durch Beschlüsse, die allen und
jedem gemeinsam sind, die Einheit und Eintracht aller gewahrt
bleibe; die gewalthabenden Mächte aller, die in solcher Weise zur
Ordnung eingesetzt werden, wie es dem allgemeinen Nutzen best-
zuträglich ist56.
So besteht in gewissem Sinne aus von Natur gegebener Ver-
anlassung und ihr entsprechendem Antrieb Vorstandschaft der
Weisen und Unterordnung der Unverständigen. Wenn aber von
Natur aus die Menschen gleich frei und gleich machtfähig sind,
so ist doch der Notwendigkeit des Bedürfnisses die freiwillige
Unterordnung verbunden. Wahre und geordnete Erstschaft
kommt allein durch freie Übereinstimmung und sich unterordnende
Zubilligung, sinngemäß unter den in Geschlecht und Tauglichkeit
Besten, zustande; wahre und geordnete Gewalt eines Einen über
von Natur aus gleich gewalthabende Allgemeinheit wird nicht an-
ders denn durch Wahl und Zustimmung der anderen aufgerichtet.
 
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