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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0018
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Elisabeth Bohne.nstädx:

liehe Religiosität, lebendigen Glauben, als persönlichste und doch
weltweite, als froheste und freieste und doch härteste und unbe-
dingte Lebensforderung erfaßte. Und schenkte uns die Zeit zahl-
reiche weltliche und geistliche, männliche und weibliche Persönlich-
keiten, die in ihrer großen, starken Haltung, ihrem vollen Einsatz
stets vorbildlich bleiben, so bleibt vor allem auch manche deutsche
christliche Herrschergestalt jener tatmächtigen Zeit in ihrer ganz
dem Bau des Reiches geweihten Kraft für immer verehrungswürdig,
auch wenn die geschichtliche Entwicklung manche Versuche ihres
hohen Idealismus zu einem praktischen Irrtum stempelte.
Fußend auf den Theorien und Verwirklichungsversuchen
seiner Zeit, die menschliches und göttliches Tun, Welt und Über-
welt so fragelos miteinander verschmelzen und doch wieder so
radikal einander entgegensetzen konnte, erhob sich aus ihr 'der
allgemeine Lehrer’ Thomas von Aquin. Dieser durchdachte vor
allem die christliche Lehrentfaltung und Lebensforderung in schier
allen ihren Gebieten und stellte sie in systematischem Aufbau eines
widerspiegelnden Querschnittes dar. Solche alles aufgliedernde und
ordnende Untersuchungsweise wird leicht von der Gefahr bedroht,
mehr oder weniger an der einen, in der gegenseitigen Durchdrin-
gung der verschiedenen Kräfte sich vollziehenden Lebensverwirk-
lichung vorbeizusehen; und es ist manchmal schwer zu erkennen,
wie doch das Vorbild zur Querschnittzeichnung ein echtes, klares
Vollzugserlebnis war. Thomas von Aquin erscheint uns als vor-
wiegend theologisch ausgerichteter Mönch in klarer, nüchtern ver-
haltener Glut religiösen Wollens und in ebenso klarer Einbezie-
hung des ganzen Kosmos, seines Lebens, in solche Zielsicht. Er ist
im Grunde, vor allem nach dem modernen Sinn des Wortes, un-
politisch. Von dem Gefühl eines staatlichen Eingegliedertseins und
erst recht von einer reichhaften Ausrichtung, einer Reichsgebunden-
heit, ist nichts bei ihm zu spüren, es sei denn, man wolle auf Grund
einiger Andeutungen von ihm ausdrücken, er sei für ein in den
verschiedenen geistigen Gebieten bestimmendes und so auch mittel-
bar das Weltliche beherrschendes Papstreich, für ihn sei die 'Kirche’
das 'Reich’. Fast nur deshalb ist sein hierauf bezügliches, im Rah-
men seines Gesamtwerkes nebensächliches Reden in Betracht zu
ziehen, weil die ihm folgende Zeit es gar sehr in Betracht gezogen
hat. Was er öfter im Auge zu haben scheint, wenn er politische
Fragen berührt, sind die zu seiner Zeit sich ausgestaltenden italieni-
schen Kleinstaaten wie auch andere kleinere Staatsgebilde.
 
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