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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0022
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Elisabeth Bohnenstädt:

nach damaliger Auffassung die volle Zweckbetrachtung in Bezug
auf den Staat. Die Förderung der notwendigen allgemeinen äuße-
ren Wohlfahrt ist neben der Wahrung des Friedens eine besondere
Aufgabe des Staates; sie wird aber von dem allgemeineren Zweck
umschlossen, ein befriedetes und tugendhaftes Leben der Bürger
zu ermöglichen. In Anlehnung an Aristoteles führt Thomas z. B.
aus, daß im Staate nicht nur das äußere Leben gefristet werden
solle, sonst zählten ja auch Tiere und Sklaven zur bürgerlichen
Gemeinde. Vielmehr sollen in ihm die Menschen durch ein kraft-
und tugendvolles Leben hindurch einem höheren Ziele, Gott, zu-
geführt werden10. Einiges erscheint auch bei Thomas als ein Bezug-
nehmen auf geistig-kulturelles Leben, auf mitbestimmendes natür-
liches geistig-menschliches, geistig-staatliches Eigenbemühen der
Selbsterziehung. Diese Haltung nimmt er der aristotelischen, über-
haupt vorchristlicher, Zeit gegenüber ein. Da dienten naturgege-
bener Drang und Naturgesetz den Menschen als Weiser und Lenker
auf Gott zu. Und es ist nicht so, als ob im christlichen Staate der
Fürst aus allem geistigen Amt gesetzt sei. Thomas spricht gelegent-
lich davon, daß durch das göttliche Gesetz geleitet der König das
Volk regieren solle. Dies göttliche Gesetz — so lehrt die ganze
Zeit — ist es nämlich, das über das Nützliche {utile) und das Ehren-
hafte (honestum) hinaus die Menschen anweist, das höchste Gut
(summum bonum) zu erstreben. Aber seit dem Eintritt Christi
in die menschliche Geschichte, im christlichen Staate, muß der
Staat wie jeder einzelne in seinem naturbedingten Wesen sich seiner
vorstufigen Unterordnung unter die Kirche, das die Natur erst
erfüllende und vollendende Reich der Gnade, bewußt sein. Schon
für Augustinus stufte sich der Wert alles Kulturellen gemäß seiner
Dienstleistung in der Gemeinde Gottes. Aber 'Gemeinde Gottes’
war keineswegs gleichbedeutend mit dem Begriff der (sichtbaren)
Kirche; und organisatorisch führend war der Staat. Im Hoch-
mittelalter jedoch wurde der anerkannte Begriff des Christlichen,
überhaupt des Religiösen, nicht nur eindeutig und für alle bestimmt
durch den Glauben der sichtbaren römischen Kirche; diese gebie-
tende sichtbare römische Kirche war auch über die Glaubenssorge
hinaus ein alle umfassender einheitlicher Machtkörper geworden.
Schon die mittelalterliche Verwendung des Wortes spiritucdis gleich
geistig für geistlich (wie diese Zwitterbildung selbst) gleich religiös,
kirchlich-hierarchisch, ist bezeichnend. Und so umfaßt im Hinblick
auf seine Zeit und seine Umwelt ein anderes Aristoteles, ein anderes
 
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