Elisabeth Bohnenstädt :
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Zuversicht nicht sowohl auf Menschenwort und Menschenwerk als
auf die verwaltete und ausgeteilte Gnade, wie man sie glaubte, auf
gesolltes und gewolltes Gnadenleben. Dafür aber wurde von man-
chen umso leichter selbst bei bejahender Haltung die Staatsauffas-
sung dem augustinischen Begriffsinhalt von 'irdischer Gemeinde’
und 'Erdenstaat’ näher gerückt, auch dies zunächst nicht sowohl
im Sinne eines menschlich wertenden. Urteils nach Gut und Böse
als weit mehr in Betrachtung der zugrundeliegenden Nur-Natur.
Und weil die mittelalterliche Weltanschauung die Dinggesamtheit
und -Ordnung der Erde, wie sie einer vollendeten ethischen und
religiösen Stufenordnung vielleicht voraus bekannt sein sollte, noch
so wenig klar und unterschieden in Blick und Hand hielt, verwen-
dete sie bei ihren Kennzeichnungen der Wirklichkeiten leicht scharf
einander entgegensetzende Begriffspaare und Veranschaulichungen,
die weit weniger realistisch gemeint waren, als es ganz anderer,
moderner Weltanschauung klingen muß. Nur so kann Thomas von
Aquin das oben Angedeutete noch schärfer prägen, kann er gele-
gentlich in scharfer Trennung den Bezirk des staatlichen, natürlich
volkhaften Gemeinschaftslebens einschließlich außerchristlicher
Religionsversuche als von dem Bezirk geistig religiösen Gemein-
schaftslebens, das nach diesem Ausdruck nur das christliche ist,
gänzlich abgesondert und die staatlichen Leiter als den kirchlichen
Verwaltern unterstellt betrachten. ,,Weil die Priesterschaft der
Heiden und ihr ganzer Gottesdienst (,divinorum cultus) den Zweck
hatte, zeitliche Güter zu gewönnen, die alle auf das allgemeine Wohl
des Volkes hin gerichtet waren, dessen Sorge ihnen oblag, so waren
angemesseneiweise die Priester der Heiden den Königen unter-
geben . . . Weil aber im neuen Gesetze das Priestertum ein höheres
ist, durch das die Menschen zu den himmlischen Gütern geführt
werden sollen, daher haben im Gesetze Christi die Könige den Prie-
stern untertan zu sein13.“
In solchen Formulierungen wie in Ausführungen über Rechts-
bereich und Macht der Kirche könnte bei Thomas von Aquin wie
in der ganzen Zeit in der Betonung der Amtskirche mit ihrem Papst
und den übrigen Priestern der allgemeinere Kirchensinn erdrückt
scheinen. Doch muß man den Blick auch dafür freihalten, daß
dem Hinweisen auf jenes geistige Königtum Christi selbst, das in
der Amtskirche nur verwaltet wird, bei dem Aquinaten ein sehr
weites Gebiet der Darlegungen christlicher Seinsstruktur und Seins-
bezogenheiten gewidmet ist, ohne daß auf 'Verwalter’ sonderlich
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Zuversicht nicht sowohl auf Menschenwort und Menschenwerk als
auf die verwaltete und ausgeteilte Gnade, wie man sie glaubte, auf
gesolltes und gewolltes Gnadenleben. Dafür aber wurde von man-
chen umso leichter selbst bei bejahender Haltung die Staatsauffas-
sung dem augustinischen Begriffsinhalt von 'irdischer Gemeinde’
und 'Erdenstaat’ näher gerückt, auch dies zunächst nicht sowohl
im Sinne eines menschlich wertenden. Urteils nach Gut und Böse
als weit mehr in Betrachtung der zugrundeliegenden Nur-Natur.
Und weil die mittelalterliche Weltanschauung die Dinggesamtheit
und -Ordnung der Erde, wie sie einer vollendeten ethischen und
religiösen Stufenordnung vielleicht voraus bekannt sein sollte, noch
so wenig klar und unterschieden in Blick und Hand hielt, verwen-
dete sie bei ihren Kennzeichnungen der Wirklichkeiten leicht scharf
einander entgegensetzende Begriffspaare und Veranschaulichungen,
die weit weniger realistisch gemeint waren, als es ganz anderer,
moderner Weltanschauung klingen muß. Nur so kann Thomas von
Aquin das oben Angedeutete noch schärfer prägen, kann er gele-
gentlich in scharfer Trennung den Bezirk des staatlichen, natürlich
volkhaften Gemeinschaftslebens einschließlich außerchristlicher
Religionsversuche als von dem Bezirk geistig religiösen Gemein-
schaftslebens, das nach diesem Ausdruck nur das christliche ist,
gänzlich abgesondert und die staatlichen Leiter als den kirchlichen
Verwaltern unterstellt betrachten. ,,Weil die Priesterschaft der
Heiden und ihr ganzer Gottesdienst (,divinorum cultus) den Zweck
hatte, zeitliche Güter zu gewönnen, die alle auf das allgemeine Wohl
des Volkes hin gerichtet waren, dessen Sorge ihnen oblag, so waren
angemesseneiweise die Priester der Heiden den Königen unter-
geben . . . Weil aber im neuen Gesetze das Priestertum ein höheres
ist, durch das die Menschen zu den himmlischen Gütern geführt
werden sollen, daher haben im Gesetze Christi die Könige den Prie-
stern untertan zu sein13.“
In solchen Formulierungen wie in Ausführungen über Rechts-
bereich und Macht der Kirche könnte bei Thomas von Aquin wie
in der ganzen Zeit in der Betonung der Amtskirche mit ihrem Papst
und den übrigen Priestern der allgemeinere Kirchensinn erdrückt
scheinen. Doch muß man den Blick auch dafür freihalten, daß
dem Hinweisen auf jenes geistige Königtum Christi selbst, das in
der Amtskirche nur verwaltet wird, bei dem Aquinaten ein sehr
weites Gebiet der Darlegungen christlicher Seinsstruktur und Seins-
bezogenheiten gewidmet ist, ohne daß auf 'Verwalter’ sonderlich