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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0027
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Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 17

eigenem Gebiet, als je von Gott verliehen, die eine Ausnahme, die
er angibt, ist die umfassende: „Es ist zu sagen, daß sowohl die
geistliche wie die weltliche Gewalt sich beide von der göttlichen
Gewalt herleiten. Daher steht die weltliche Gewalt insoweit unter
der geistlichen, wie sie ihr von Gott untergeordnet ist, d. h. in dem,
was sich auf das Heil der Seele bezieht, und also ist in diesem
Gebiet der geistlichen Gewalt mehr zu gehorchen als der welt-
lichen. In dem aber, was sich auf das bürgerliche Gemeinwohl
bezieht, ist der weltlichen Gewalt mehr zu gehorchen als der geist-
lichen, gemäß der Worte in Matth. XXII, 21: Gebt dem Kaiser, was
des Kaisers ist. Es sei denn, daß der geistlichen Gewalt die welt-
liche verbunden ist wie beim Papst, der die höchste Höhe beider
Gewalten, der geistlichen und der weltlichen, umfaßt hält, wie es
jener angeordnet hat, der Priester ist und König, Priester in Ewig-
keit nach der Weise des Melchisedech, König der Könige und Herr
der Herrschenden, dessen Macht nicht aufgehoben und dessen
Königtum nicht zerstört wird in alle Ewigkeit“16. So kann es denn
auch in allgemeiner Anwendung heißen, die priesterliche Gewalt
sei die Vermittlung zwischen dem Weltlichen, irdisch-Zeitlichem
und der geistlichen Weisheit, weil durch sie sowohl die geistliche
Weisheit wie das irdisch-Zeitliche verteilt und geordnet werde17.
Weil es sich in der Kirche nicht um nur werthaft, sondern auch
beziehungshaft Höheres und Umfassenderes handelt als im Staate,
bleibt es also vom Kirchlichen zum Staatlichen nicht bei der schar-
fen Trennung, die vom Staatlichen zum Kirchlichen hin betont
wird. Thomas kann z. B. erst noch anerkennen, daß das göttliche
Recht, aus der Gnade stammend, das menschliche, das aus der
natürlichen Vernunft stammt, nicht aufhebe, und daß deshalb die
Herrschaft Ungläubiger über Gläubige zu Recht bestehen könne.
Dann aber fährt er fort: „Dennoch kann zu Recht durch Richtspruch
oder Anordnung der Kirche, die Gottes Autorität besitzt, solch ein
Herrschafts- und Vorgesetztenrecht aufgehoben werden. Denn die
Ungläubigen verdienen durch ihren Unglauben, die Herrschgewalt
über Gläubige zu verlieren18.“ Wie sehr aber das kirchliche Richt-
amt mit politischer, eigentlich staatlicher Bestimmungs- und Ver-
fügungsgewalt über den Staat zusammengedacht wird, zeigt sich
am deutlichsten in der Christenheit. In dem der Kirche eingefügten
staatlichen Bezirk wird es als ihr selbstverständliches Recht an-
gesehen, bei Gutdünken das natürliche Recht aufzuheben — lag
ja auch eine Körpervergewaltigung zugunsten des Himmelreiches
2 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 193S/39. 3. Abb.
 
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