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Elisabeth Bohnenstädt :
im Sinne der inbrünstig gläubigen Zeit: ,,Wenn über jemanden
durch Richtspruch verkündet wird, daß er wegen Unglaubens aus
der Kirche ausgeschlossen sei, so sind eben damit auch seine Unter-
tanen aus seiner Herrschaft und von ihrem Treueid entbunden.“'
Denn „wenn einer von den Gläubigen durch Unglauben sündigt, zu-
weilen auch wegen anderer Schuld, kann er richtspruchlich aus der
Herrschaft entlassen werden19.“
Solche gelegentlichen Formulierungen sind zum Teil der jün-
geren Tradition der Papstaussprüche und -ansprüche angelehnt,
jedoch mit der Thomas eigenen Mäßigung. Sie weisen noch ein-
mal darauf hin, wie sehr für Thomas von Aquin und viele seiner
Zeit die Kirche mit ihrem Stellvertreter Gottes auch äußerliche
Gesamtumfassung der abendländischen Christenheit bedeutet, das
Reich fast, ohne daß man dabei zwischen Papst und Kaiser, 'Reich’
und 'Kirche5, notwendig eine Kluft sah. Aber es schwingt noch
das Bewußtsein davon mit, daß auch ein sich entsprechend ver-
fehlender Papst aus seiner 'Herrschaft entlassen werden5 könnte.
Und insofern alle staatliche Herrschaft unter Christen auch als an
sich weltliche Ordnung, Gerichtsbarkeit u. dgl. notwendig christlich
geistig bestimmt sein soll, scheint fast jedes Herrscheramt in der
Christenheit mit der Diakonstellung des Kaisers zusammengedacht
zu werden: Fs ist eine Art kirchlicher Amtsstellung, die eine kirch-
liche Amtsenthebung rechtfertigt. Wie beim Menschen das geistig-
seelische Leben das ordnende, lenkende und bestimmende Leben
überhaupt im Körper ist, so umfaßt und bestimmt die Kirche alles
eigentliche Leben — und nur was Gott sich zuzuwenden veranlagt
und bemüht ist, kann eigentliches Leben genannt werden - im Staate,
der in Bezug auf sie Körper ist. Wie viel Verwirrung aber auch
die weitreichende Gebots- und Einspruchsgewalt der 'Kirche5 und
der sie mitbestimmende päpstliche Machtanspruch heraufbeschwor,
es lag letzterem doch neben dem gewaltsam übersteigerten und in
fremdes, in weltliches Macht- und Besitzgebiet hineingesteigerten
Gedanken, der eine Vertreter Gottes und des erhöhten, machtvoll
kommenen Christkönigs zu sein, auch bange Gewissenhaftigkeit zu-
grunde, die sich als vertretender Anwalt des göttlichen Rechts für
alles Recht und Unrecht, ja für alles Tun und Werden in der
Christenheit mitverantwortlich glaubte.
Deutet Thomas von Aquin an: der Papst habe die geistliche
und die weltliche Gewalt inne, wie es Christus anordnete und wie es
auf dessen eigene Herrschaft in der Wiederkunft vorbereite, so ist
Elisabeth Bohnenstädt :
im Sinne der inbrünstig gläubigen Zeit: ,,Wenn über jemanden
durch Richtspruch verkündet wird, daß er wegen Unglaubens aus
der Kirche ausgeschlossen sei, so sind eben damit auch seine Unter-
tanen aus seiner Herrschaft und von ihrem Treueid entbunden.“'
Denn „wenn einer von den Gläubigen durch Unglauben sündigt, zu-
weilen auch wegen anderer Schuld, kann er richtspruchlich aus der
Herrschaft entlassen werden19.“
Solche gelegentlichen Formulierungen sind zum Teil der jün-
geren Tradition der Papstaussprüche und -ansprüche angelehnt,
jedoch mit der Thomas eigenen Mäßigung. Sie weisen noch ein-
mal darauf hin, wie sehr für Thomas von Aquin und viele seiner
Zeit die Kirche mit ihrem Stellvertreter Gottes auch äußerliche
Gesamtumfassung der abendländischen Christenheit bedeutet, das
Reich fast, ohne daß man dabei zwischen Papst und Kaiser, 'Reich’
und 'Kirche5, notwendig eine Kluft sah. Aber es schwingt noch
das Bewußtsein davon mit, daß auch ein sich entsprechend ver-
fehlender Papst aus seiner 'Herrschaft entlassen werden5 könnte.
Und insofern alle staatliche Herrschaft unter Christen auch als an
sich weltliche Ordnung, Gerichtsbarkeit u. dgl. notwendig christlich
geistig bestimmt sein soll, scheint fast jedes Herrscheramt in der
Christenheit mit der Diakonstellung des Kaisers zusammengedacht
zu werden: Fs ist eine Art kirchlicher Amtsstellung, die eine kirch-
liche Amtsenthebung rechtfertigt. Wie beim Menschen das geistig-
seelische Leben das ordnende, lenkende und bestimmende Leben
überhaupt im Körper ist, so umfaßt und bestimmt die Kirche alles
eigentliche Leben — und nur was Gott sich zuzuwenden veranlagt
und bemüht ist, kann eigentliches Leben genannt werden - im Staate,
der in Bezug auf sie Körper ist. Wie viel Verwirrung aber auch
die weitreichende Gebots- und Einspruchsgewalt der 'Kirche5 und
der sie mitbestimmende päpstliche Machtanspruch heraufbeschwor,
es lag letzterem doch neben dem gewaltsam übersteigerten und in
fremdes, in weltliches Macht- und Besitzgebiet hineingesteigerten
Gedanken, der eine Vertreter Gottes und des erhöhten, machtvoll
kommenen Christkönigs zu sein, auch bange Gewissenhaftigkeit zu-
grunde, die sich als vertretender Anwalt des göttlichen Rechts für
alles Recht und Unrecht, ja für alles Tun und Werden in der
Christenheit mitverantwortlich glaubte.
Deutet Thomas von Aquin an: der Papst habe die geistliche
und die weltliche Gewalt inne, wie es Christus anordnete und wie es
auf dessen eigene Herrschaft in der Wiederkunft vorbereite, so ist