Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 19
nicht zu verwundern, wenn spätere Verfechter einer direkten von
Christus ihm übertragenen Gewalt des Papstes sowohl über das
Geistliche wie über das Weltliche auf ihn sich stützen und berufen.
Es ist zwar innerhalb der Meinung, daß der Papst beiden Gewalt-
bereichen machtvollkommen vorstehe, die Frage, ob in beiden Ge-
bieten unmittelbar oder im weltlichen nur mittelbar, von gerin-
gerer Bedeutung. Geistige Menschen wie Thomas neigen mehr da-
zu, den so viel höher gesehenen geistlichen Führerposten nicht mit
direkter Obgeordnetheit über das Weltliche zu belasten. Ein Ein-
spruchs- und Eingriffsrecht wird in mittelbarer Leitung umschlos-
sen. Aber Thomas würde weder die Erniedrigung der Fürsten zu
bloßen Werkzeugen des Papstes noch manche andere gewalthafte,
teils gewissenlose Spitzfindigkeit äußerlicher Menschen in ihrer
Papstverherrlichung bejaht haben. Doch wurde durch den 'allge-
meinen Lehrer’ jene Entwicklung politischer Machtstellung der
Päpste prinzipiell gekrönt, die im Beginn vielleicht mehr von
schwindelndem Idealismus getragen wurde, der in Vorwegnahme
eines fernen geistig-religiösen Zieles sich über den Raum irdischen
Lebens, geschichtlichen Werdens, hinwegsetzte und so sich über-
stürzte, mehr und mehr aber auch sich an Besitz und Macht der
Erde klammerte. Aber Thomas von Aquin hat auch einerseits in
der — wenngleich nicht erstmaligen, so doch durch ihn gleichsam
in der Berechtigung bestätigten ■— Gründung auf Aristoteles und
dessen Staatstheorie, andererseits in seiner zerlegenden Hervor-
hebung von Staatlichem und Kirchlichem, wie er es sah, und in
der damit gegebenen Anregung zu schärferer Auseinandersetzung
mit diesen Fragen dazu beigetragen, die innige und doch nicht dem
Ideal zuwachsende Verbindung des Mittelalters einer allmählichen
Entklammerung der beiden Bestandteile entgegenzuführen'20.
Die römische Kirchenauffassung des Mittelalters, wie sie sich
theoretisch und praktisch immer mehr durchzuformen suchte, weist
auf eine ursprünglich zugrundeliegende Problematik des Inhalts
jener Formel'heiliges römisches Reich deutscher Nation’.
Bekundet das 'römische Reich’ den Willen, am alten Römerreich
anzuknüpfen und fortzusetzen, das 'heilige’ die christlich-kirchliche
Einigungsidee, so steht 'deutscher Nation’ daneben als Angabe des
wirklich Tragenden und doch als fast zweitrangige Beifügung. Für
dieses deutsche Volk, das die Kaiser gab und das politisch führte,
handelte es sich nicht um ein wirklich erworbenes, volles natür-
lich es Kaisertum. Vielmehr hatte diesem gegenüber im politisch
nicht zu verwundern, wenn spätere Verfechter einer direkten von
Christus ihm übertragenen Gewalt des Papstes sowohl über das
Geistliche wie über das Weltliche auf ihn sich stützen und berufen.
Es ist zwar innerhalb der Meinung, daß der Papst beiden Gewalt-
bereichen machtvollkommen vorstehe, die Frage, ob in beiden Ge-
bieten unmittelbar oder im weltlichen nur mittelbar, von gerin-
gerer Bedeutung. Geistige Menschen wie Thomas neigen mehr da-
zu, den so viel höher gesehenen geistlichen Führerposten nicht mit
direkter Obgeordnetheit über das Weltliche zu belasten. Ein Ein-
spruchs- und Eingriffsrecht wird in mittelbarer Leitung umschlos-
sen. Aber Thomas würde weder die Erniedrigung der Fürsten zu
bloßen Werkzeugen des Papstes noch manche andere gewalthafte,
teils gewissenlose Spitzfindigkeit äußerlicher Menschen in ihrer
Papstverherrlichung bejaht haben. Doch wurde durch den 'allge-
meinen Lehrer’ jene Entwicklung politischer Machtstellung der
Päpste prinzipiell gekrönt, die im Beginn vielleicht mehr von
schwindelndem Idealismus getragen wurde, der in Vorwegnahme
eines fernen geistig-religiösen Zieles sich über den Raum irdischen
Lebens, geschichtlichen Werdens, hinwegsetzte und so sich über-
stürzte, mehr und mehr aber auch sich an Besitz und Macht der
Erde klammerte. Aber Thomas von Aquin hat auch einerseits in
der — wenngleich nicht erstmaligen, so doch durch ihn gleichsam
in der Berechtigung bestätigten ■— Gründung auf Aristoteles und
dessen Staatstheorie, andererseits in seiner zerlegenden Hervor-
hebung von Staatlichem und Kirchlichem, wie er es sah, und in
der damit gegebenen Anregung zu schärferer Auseinandersetzung
mit diesen Fragen dazu beigetragen, die innige und doch nicht dem
Ideal zuwachsende Verbindung des Mittelalters einer allmählichen
Entklammerung der beiden Bestandteile entgegenzuführen'20.
Die römische Kirchenauffassung des Mittelalters, wie sie sich
theoretisch und praktisch immer mehr durchzuformen suchte, weist
auf eine ursprünglich zugrundeliegende Problematik des Inhalts
jener Formel'heiliges römisches Reich deutscher Nation’.
Bekundet das 'römische Reich’ den Willen, am alten Römerreich
anzuknüpfen und fortzusetzen, das 'heilige’ die christlich-kirchliche
Einigungsidee, so steht 'deutscher Nation’ daneben als Angabe des
wirklich Tragenden und doch als fast zweitrangige Beifügung. Für
dieses deutsche Volk, das die Kaiser gab und das politisch führte,
handelte es sich nicht um ein wirklich erworbenes, volles natür-
lich es Kaisertum. Vielmehr hatte diesem gegenüber im politisch