Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 25
Im Volksleben wirkte sich der Zerfall und das Absterben der
alten Ordnung weitgehend aus in Verwirrung, Erschlaffung und
innerer Leerheit, in Überreiztheit und umso gewalttätigerer Auf-
rechterhaltung des Unnützgewordenen. Daneben spürte man
jedoch in manchen Kreisen ein innerliches Wachsen und Weiten;
auch und gerade in den Krisen geschichtlicher Wandlung und ihrer
vielfach gesteigerten Tragik des Einzellebens galt es, ohne Abstump-
fung wie ohne Bitterkeit ein nur umso reicheres Menschsein ein-
zusetzen. Offen rück- und vorwärtsgewandter Blick war bedacht,
das Ahnen des einen letzten Sinnes und Inhalts menschlichen
Seins nicht zu verlieren und zugleich neuen Weise- und Weg-
erschließungen des Verstehens und tätigen Lebens zugewandt zu
sein. Nicht nur sich, sondern das Volk wollten solche stillen Ar-
beiter retten, in Beich und Kirche hinein wirken und bessern. Sie
erstanden vorwiegend nicht aus der reichlichen oder kirchlichen
Organisation, sondern bezeichnenderweise aus den Städten. Ab-
gesehen von der immer stärkeren Mitwirkung der städtischen Be-
hörden, z. B. in Fragen der Erziehung und des Unterrichts und der
sozialen Fürsorge begann besonders in den Hansestädten eine mehr
persönlich keitsgetragene und zugleich gemeinschaftstragende Kul-
turentwicklung, die nach lebensechter und christlichernster Refor-
mation ausschaute, ein Leben nicht so sehr auf äußerer Form als
aus innerer wirkhafter Erfahrung aufzubauen. Vor allem Laien,
auch Ordensleute und Weltgeistliche trugen diese Bewegung25, die
in der Welt wie im Kloster eine starke Beeinflussung besonders
durch die großen deutschen Mystiker mit ihrer ureigenen Besin-
nung und Erfahrung innerlichen Menschtums, ihrem Willen und
ihrer Kraft zu Wahrheit und Lebensechtheit, ihrem unbedingten
Ernstmachen mit der Aufgabe gottzugekehrten Lebens erkennen
läßt26. Führend waren die Brüder vom gemeinsamen Leben, deren
Niederlassungen, Ende des 14. Jahrhunderts im niederländischen
Reichsgebiet beginnend, sich bald über ganz West-, Mittel- und
Norddeutschland bis ins östliche Kolonisationsgebiet erstreckten27.
Auch in klösterlichem Zusammenschluß zu gegenseitiger und ande-
ren zugewandter Hilfe lebten sie ohne dauernde Verbindung und
ohne Regelzwang. Es kam ihnen auf verantwortungsbewußtes und
selbstverständliches Christentum an, ob in Kranken- oder sonsti-
gem Liebesdienst, ob in Predigt und anderer Volksunterweisung,
ob in Schule und handwerklicher Lehrtätigkeit oder in sonstweicher
teils den Unterhalt gewährender körperlicher und geistiger Arbeit.
Im Volksleben wirkte sich der Zerfall und das Absterben der
alten Ordnung weitgehend aus in Verwirrung, Erschlaffung und
innerer Leerheit, in Überreiztheit und umso gewalttätigerer Auf-
rechterhaltung des Unnützgewordenen. Daneben spürte man
jedoch in manchen Kreisen ein innerliches Wachsen und Weiten;
auch und gerade in den Krisen geschichtlicher Wandlung und ihrer
vielfach gesteigerten Tragik des Einzellebens galt es, ohne Abstump-
fung wie ohne Bitterkeit ein nur umso reicheres Menschsein ein-
zusetzen. Offen rück- und vorwärtsgewandter Blick war bedacht,
das Ahnen des einen letzten Sinnes und Inhalts menschlichen
Seins nicht zu verlieren und zugleich neuen Weise- und Weg-
erschließungen des Verstehens und tätigen Lebens zugewandt zu
sein. Nicht nur sich, sondern das Volk wollten solche stillen Ar-
beiter retten, in Beich und Kirche hinein wirken und bessern. Sie
erstanden vorwiegend nicht aus der reichlichen oder kirchlichen
Organisation, sondern bezeichnenderweise aus den Städten. Ab-
gesehen von der immer stärkeren Mitwirkung der städtischen Be-
hörden, z. B. in Fragen der Erziehung und des Unterrichts und der
sozialen Fürsorge begann besonders in den Hansestädten eine mehr
persönlich keitsgetragene und zugleich gemeinschaftstragende Kul-
turentwicklung, die nach lebensechter und christlichernster Refor-
mation ausschaute, ein Leben nicht so sehr auf äußerer Form als
aus innerer wirkhafter Erfahrung aufzubauen. Vor allem Laien,
auch Ordensleute und Weltgeistliche trugen diese Bewegung25, die
in der Welt wie im Kloster eine starke Beeinflussung besonders
durch die großen deutschen Mystiker mit ihrer ureigenen Besin-
nung und Erfahrung innerlichen Menschtums, ihrem Willen und
ihrer Kraft zu Wahrheit und Lebensechtheit, ihrem unbedingten
Ernstmachen mit der Aufgabe gottzugekehrten Lebens erkennen
läßt26. Führend waren die Brüder vom gemeinsamen Leben, deren
Niederlassungen, Ende des 14. Jahrhunderts im niederländischen
Reichsgebiet beginnend, sich bald über ganz West-, Mittel- und
Norddeutschland bis ins östliche Kolonisationsgebiet erstreckten27.
Auch in klösterlichem Zusammenschluß zu gegenseitiger und ande-
ren zugewandter Hilfe lebten sie ohne dauernde Verbindung und
ohne Regelzwang. Es kam ihnen auf verantwortungsbewußtes und
selbstverständliches Christentum an, ob in Kranken- oder sonsti-
gem Liebesdienst, ob in Predigt und anderer Volksunterweisung,
ob in Schule und handwerklicher Lehrtätigkeit oder in sonstweicher
teils den Unterhalt gewährender körperlicher und geistiger Arbeit.