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E LISA B E TH B O H N E N S TÄ D T :
Vor allem ließen sie der J ugend in Grund-, Handwerks- und Wissen-
schaftsschule, aufbauend auf eigener Besinnlichkeit und Übung wie
auf gediegenen Quellen, religiös-sittliche Erweckung und Durch-
bildung und gründliche Berufsausbildung zukommen. In gewissem
Sinne kann man bei ihnen von volkssozialem und christlichem Hu-
manismus reden. Und mehrere der frühen bekannten deutschen
Humanistenlehrer und Humanisten gingen aus den Schulen dieser
Brüder hervor.
Auch Nikolaus von Cues (geb. 1401) erhielt wohl wirklich bei
den Brüdern vom gemeinsamen Leben seine Jugendausbildung. Er
war Zögling in ihrer Niederlassung zu Deventer, deren Schule von
Augustiner Chorherren geleitet wurde28. Dem in Italien promo-
vierten und mit humanistischen Interessen vertraut gewordenen,
in Deutschland die geistlichen Studien abschließenden doctor decre-
torum öffnete sich eine von vornherein begünstigte geistliche Lauf-
bahn. Eine reichsbetreffende Angelegenheit sandte ihn, kirchliche
Sorge rief ihn Anfang 1432 zum Basler Konzil. Theoretisch und prak-
tisch wird in dieser Basler Zeit von 1432 bis 1437 Grundlage, Aus-
richtung und Verwirklichungsversuch seiner Stellungnahme zu
Reich und Kirche deutlich; leitend spricht und handelt hier Niko-
laus von Cues als Anwalt der Christenheit wie als Führer der Deut-
schen im besonderen. Und hier legte er 1433 dem Konzile und
dem Kaiser seine erste große Arbeit vor, die die Befugnisgrenzen
einerseits zwischen Allgemeinkirche und Papst, andererseits zwi-
schen Reich und Kirche aufweisende und für Kirche und Reich
Reform fordernde ' Concordantia, catholica (Allumfassende Ein-
tracht). Und auch in mancher späteren Schrift treffen wir auf
längere oder kürzere'Reich5 und 'Kirche5 betreffende Ausführung29.
Wenn Nikolaus von Cues sich über Kirche und Reich äußert,
so will er damit nichts dem Mittelalter gegenüber umstürzend
Neues sagen, vielmehr das Alte, Ursprüngliche. Er will Same und
Keim wieder sichtbar machen und jene erste fruchtbare Entfal-
tung, die sich in ihrer gesunden Wachstumskraft wieder durch-
setzen soll, muß dazu auch manches Verkümmerte erst neu er-
starken, manche Schädigung geheilt, manche Wucherung aus-
gerottet werden. Und diese Sprache spricht ein Mensch, der in
ebenso gewaltigem wie innigem, ursprünglichem geistigen Erleben
den ganzen Kosmos der aufbauenden, belebenden und führenden
Denk- und Willenskräfte des Mittelalters in sowohl objektiv sich
an das Allgemeine hingebendem wie subjektiv sich als Persönlich-
E LISA B E TH B O H N E N S TÄ D T :
Vor allem ließen sie der J ugend in Grund-, Handwerks- und Wissen-
schaftsschule, aufbauend auf eigener Besinnlichkeit und Übung wie
auf gediegenen Quellen, religiös-sittliche Erweckung und Durch-
bildung und gründliche Berufsausbildung zukommen. In gewissem
Sinne kann man bei ihnen von volkssozialem und christlichem Hu-
manismus reden. Und mehrere der frühen bekannten deutschen
Humanistenlehrer und Humanisten gingen aus den Schulen dieser
Brüder hervor.
Auch Nikolaus von Cues (geb. 1401) erhielt wohl wirklich bei
den Brüdern vom gemeinsamen Leben seine Jugendausbildung. Er
war Zögling in ihrer Niederlassung zu Deventer, deren Schule von
Augustiner Chorherren geleitet wurde28. Dem in Italien promo-
vierten und mit humanistischen Interessen vertraut gewordenen,
in Deutschland die geistlichen Studien abschließenden doctor decre-
torum öffnete sich eine von vornherein begünstigte geistliche Lauf-
bahn. Eine reichsbetreffende Angelegenheit sandte ihn, kirchliche
Sorge rief ihn Anfang 1432 zum Basler Konzil. Theoretisch und prak-
tisch wird in dieser Basler Zeit von 1432 bis 1437 Grundlage, Aus-
richtung und Verwirklichungsversuch seiner Stellungnahme zu
Reich und Kirche deutlich; leitend spricht und handelt hier Niko-
laus von Cues als Anwalt der Christenheit wie als Führer der Deut-
schen im besonderen. Und hier legte er 1433 dem Konzile und
dem Kaiser seine erste große Arbeit vor, die die Befugnisgrenzen
einerseits zwischen Allgemeinkirche und Papst, andererseits zwi-
schen Reich und Kirche aufweisende und für Kirche und Reich
Reform fordernde ' Concordantia, catholica (Allumfassende Ein-
tracht). Und auch in mancher späteren Schrift treffen wir auf
längere oder kürzere'Reich5 und 'Kirche5 betreffende Ausführung29.
Wenn Nikolaus von Cues sich über Kirche und Reich äußert,
so will er damit nichts dem Mittelalter gegenüber umstürzend
Neues sagen, vielmehr das Alte, Ursprüngliche. Er will Same und
Keim wieder sichtbar machen und jene erste fruchtbare Entfal-
tung, die sich in ihrer gesunden Wachstumskraft wieder durch-
setzen soll, muß dazu auch manches Verkümmerte erst neu er-
starken, manche Schädigung geheilt, manche Wucherung aus-
gerottet werden. Und diese Sprache spricht ein Mensch, der in
ebenso gewaltigem wie innigem, ursprünglichem geistigen Erleben
den ganzen Kosmos der aufbauenden, belebenden und führenden
Denk- und Willenskräfte des Mittelalters in sowohl objektiv sich
an das Allgemeine hingebendem wie subjektiv sich als Persönlich-