Metadaten

Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0077
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 67

4. Vorläufigkeit und Reformbedürftigkeit.
Der eine und gleiche Sinn aller Bestimmungen, Kirchengesetze,
Konzile, aller priest erlichen Gewalt überhaupt, deren Verteilung
und Beschränkung, besteht ebenso wie der jeder Art von Macht,
Rechtsgewalt und sonstiger menschlicher Mittel darin, daß um so
mehr unser Leben auf Gott hin ausgerichtet sei, daß die Menschen
umso besser ihrem Ziele, Gott, zugeleitet werden, wie es jeweils
Volk, Zeit und Entwicklungsstufe angemessen ist. Daher heben
sich auch in dringenden Fällen die verschiedenen Begrenzungen in
der Amtsgewalt von selbst auf; und in der Not kann auch der
Laie amtspriesterlich wirken . Im Priesteramt, im Einzeldienst wie
in gemeinsamer Vertretung, steht der einzelne Priester als Werk-
zeug und als Vertreter in einem vorläufigen, immer wieder
unterbrochenen Dienst, diesseits des Schleiers, hinter dem das
Heilige selbst verborgen ist. Jeder irdische Priester geht ein und
aus zum Tempeldienst. Unser wirklicher Hohepriester aber steht
immer bei Gott, ohne Unterbrechung vermittelt er für uns, immer
leuchtet das Licht, das dem Leuchten der Sonne immer verbunden.
Was aber irdisches Element oder aus solchen aufgebaut ist, leuchtet
nur, solange es sich unter Beeinflussung des Lichtes stellt und er-
hält. Christus allein ist der wahre Hohepriester, der alles, was
priesterlichen Amtes ist, in vollendetem Sinne und Maße voll-
brachte und vollbringt. Er läßt Schuld nach ohne Auferlegung einer
Buße; er gießt Gnade ein ohne Werkzeug und Mittel; er erfleht
Verzeihung ohne Säumen und Behinderung, nicht im Erheben der
Stimme, sondern im Erbarmen selbst. Ein anderer Hohepriester
aber kann nicht Schuld nachlassen. Das Eingerichtete (ars) ver-
mag nichts ohne beiständige Kraft des Ursprünglichen (naturae);
so vermag auch der Papst nichts ohne Sakrament und die Sakra-
mente nichts ohne Gott. Gott aber ist mächtig ohne alles irgend-
welche andere51.
Der Charakter des Werkzeug- und Stellvertreterseins im Prie-
steramte weist noch weiter auf eine Unterscheidung des Priesters,
des Amtsvollziehenden, vom Amtsträger im allgemeinen personalen
Sinne. Es kommt im Priestersein nicht auf die Person im indivi-
duellen Sinne an. Als sacerdos bezeichnet man den Priester als
solchen, den Teilnehmenden am Priesteramt, als clericus, d. h.
Gebildeter, Schreiber, den Menschen, der gleichsam stofflicher Trä-

5*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften