Cusanus-Studien: III. Kirche u. Reich i. Schrifttum des Nikolaus von Cues. 69
tragen, daß sein Werkzeug und Verwalter vielleicht selbst nur ein
gottesräuberisches Gefäß ist. Dennoch hat er die Pflicht, in seinem
Amt nicht auf sich zu sehen, sondern zu tun, was Gott von einem
guten Hirten fordert, wenn er auch in Bezug auf sich selbst denken
müßte, er werde in die Hölle verstoßen. Ich will (so redet der Pre-
diger Nikolaus von Cues die Zuhörer an), obwohl ich Finsternis
bin, das Amt des Sternes an mich nehmen, euch zu leuchten und
zu führen zum Heiland. Wie jener Stern, der aus irdischen Grund-
stoffen erschaffen und vergehbar und leb- und empfindungslos,
nichtsdestoweniger den Erlöser zeigte, so tut es im Wort der Predigt
der geistliche Vorsteher, wenn er auch selbst nicht im Geist lebt;
daher schulden die Weltlichen zu folgen, das Licht der Wahrheit
zu suchen und schließlich zu finden. Kann aber in dieser ver-
mutungshaften Kirche auch der Priesterkörper in seinen einzelnen
Gliedern fallen, vom rechten Wege abweichen und untergehen, so
doch nicht als Ganzes; stets wird der größere Teil in der Kraft des
Glaubens, in Lehre und Zucht der Wahrheit des Herrn beharren.
Denn Christi Wort ist wahr, daß das Priestertum bis zur Voll-
endung der Zeiten in ihm und er in jenem verbleibe52.
(Wenn der Blick nicht nur auf die persönlichen Schwächen
der einzelnen Ordensleute und Priester, sondern besonders auf deren
Mißbrauch geistlicher Würde und kirchlichen Amtes gerichtet
ist, weicht die Haltung, die in Demut den Stolz des Priestertums
trägt, sorgenvoller Anklage:) Wenn wir recht zuschauen, ist mit
wenigen Ausnahmen die gesamte christliche Religion zu Schein-
werk entartet, wie wir es z. B. bei zahlreichen Ordensleuten wahr-
nehmen. Bei vielen ist nur noch die äußere Bekleidung, nichts
mehr aber vom Geiste des Gründers zurückgeblieben. Der eine
behauptet unter der Hülle dieses Gewandes, der andere unter der
eines andern, ein weiterer unter einer Kapuze, der unter diesem,
der andere unter jenem sogenannten religiösen Zeichen, für Christus
zu streiten. Doch suchen fast alle nicht was Christi, sondern was
das Ihre ist und sein solle. Auch in der eigentlichen Amtskirche
hat sich Mißbrauch und Unmaß breit gemacht, weil bei weitem
nicht jeder sich seiner und nur seiner Amtsbefugnis recht bediente.
Dies zeigt besonders deutlich ein Vergleich mit den alten Regeln
und Bestimmungen der Konzile. Wenn immer aber ein Glied die
Amtsbefugnis eines anderen an sich reißen und nicht, soweit an
ihm liegt, die verschiedenen Amtsgrade einzeln austeilen will, so
ist. dies in höchstem Maße schädlich und schändlich. Der Papst
tragen, daß sein Werkzeug und Verwalter vielleicht selbst nur ein
gottesräuberisches Gefäß ist. Dennoch hat er die Pflicht, in seinem
Amt nicht auf sich zu sehen, sondern zu tun, was Gott von einem
guten Hirten fordert, wenn er auch in Bezug auf sich selbst denken
müßte, er werde in die Hölle verstoßen. Ich will (so redet der Pre-
diger Nikolaus von Cues die Zuhörer an), obwohl ich Finsternis
bin, das Amt des Sternes an mich nehmen, euch zu leuchten und
zu führen zum Heiland. Wie jener Stern, der aus irdischen Grund-
stoffen erschaffen und vergehbar und leb- und empfindungslos,
nichtsdestoweniger den Erlöser zeigte, so tut es im Wort der Predigt
der geistliche Vorsteher, wenn er auch selbst nicht im Geist lebt;
daher schulden die Weltlichen zu folgen, das Licht der Wahrheit
zu suchen und schließlich zu finden. Kann aber in dieser ver-
mutungshaften Kirche auch der Priesterkörper in seinen einzelnen
Gliedern fallen, vom rechten Wege abweichen und untergehen, so
doch nicht als Ganzes; stets wird der größere Teil in der Kraft des
Glaubens, in Lehre und Zucht der Wahrheit des Herrn beharren.
Denn Christi Wort ist wahr, daß das Priestertum bis zur Voll-
endung der Zeiten in ihm und er in jenem verbleibe52.
(Wenn der Blick nicht nur auf die persönlichen Schwächen
der einzelnen Ordensleute und Priester, sondern besonders auf deren
Mißbrauch geistlicher Würde und kirchlichen Amtes gerichtet
ist, weicht die Haltung, die in Demut den Stolz des Priestertums
trägt, sorgenvoller Anklage:) Wenn wir recht zuschauen, ist mit
wenigen Ausnahmen die gesamte christliche Religion zu Schein-
werk entartet, wie wir es z. B. bei zahlreichen Ordensleuten wahr-
nehmen. Bei vielen ist nur noch die äußere Bekleidung, nichts
mehr aber vom Geiste des Gründers zurückgeblieben. Der eine
behauptet unter der Hülle dieses Gewandes, der andere unter der
eines andern, ein weiterer unter einer Kapuze, der unter diesem,
der andere unter jenem sogenannten religiösen Zeichen, für Christus
zu streiten. Doch suchen fast alle nicht was Christi, sondern was
das Ihre ist und sein solle. Auch in der eigentlichen Amtskirche
hat sich Mißbrauch und Unmaß breit gemacht, weil bei weitem
nicht jeder sich seiner und nur seiner Amtsbefugnis recht bediente.
Dies zeigt besonders deutlich ein Vergleich mit den alten Regeln
und Bestimmungen der Konzile. Wenn immer aber ein Glied die
Amtsbefugnis eines anderen an sich reißen und nicht, soweit an
ihm liegt, die verschiedenen Amtsgrade einzeln austeilen will, so
ist. dies in höchstem Maße schädlich und schändlich. Der Papst