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Bohnenstädt, Elisabeth; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 1. Abhandlung): Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Cues — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41996#0116
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Elisabeth Bohnenstädt:

der Wahlpakten, Verträge und Verabredungen mit den ihren eigenen
Vorteil suchenden Wahlfürsten. Indem so die Kurfürsten die ihnen
für die Wahrung des Reichswohles gewährte, anvertraute Macht
zu dessen Zerstörung mißbrauchen, werden immer mehr kaiserliche
Rechts- und Herrschaftsgebiete widerrechtlich von den einzelnen
Gebietsfürsten in Resitz genommen. Und wegen seines Schwures
wagt der Kaiser nicht, jene kaiserlichen und Reichsrechte zurück-
zuverlangen und zurückzunehmen. Weil andererseits die Kurfürsten
selbst den Kaiser zu Unrechtem binden und in seiner Kraft lähmen,
schweigen sie auch, wenn sie den Gebietsfürsten im Kaiser ähnlich
handeln sehen, auf daß sie mit Reden nicht sich seihst das Urteil
sprächen. Es muß daher die Wahlversammlung nach genauen,
festen Vorschriften durchgeführt werden; die Wahlfürsten .müssen
sich durch Eid und Sakramentenempfang in strenge Verpflichtung
stellen, in wirklich freiem Verfahren, in freier und geheimer Wahl,
die aus vergleichendem Abwägen der Wertränge aller in Frage
Kommenden hervorgeht, ihres Amtes zu walten; so sollen sie,
unbeeinflußt von Habsucht und Ehrgeiz, nur auf das allgemeine,
öffentliche Wohl des Staates, auf Sicherheit und Ehre des Reiches
bedacht sein. — Auch sonst sind die Fürsten strenger und wirk-
samer zu verpflichten, dem Reiche zu dienen. Sind doch aus
aufrührerischer Gewaltherrschaft reichsuntergeordneter Fürsten
viele gewaltige Gebietsherren und Mächtige erstanden und heran-
gewachsen, indessen gleichzeitig das Reich gänzlich zusammensinkt.
Aber wenn auch die Reichsfürsten überall alles Mögliche an kaiser-
lichen und Reichsrechten an sich ziehen und einheimsen, um mäch-
tiger und stärker zu werden, täuschen sie sich doch. Es wird so
gehen, wie es immer kommt, wenn ein Reich in sich zerspalten ist.
Das unrecht Zusammengeraffte wird zerstört werden. Oh größte
Blindheit! Die Fürsten sollen doch ja nicht glauben, daß sie durch
Reichsgut wirklich reich würden und sich lange darin behaupten
könnten ! Wenn alle trachten, das Ihre zu mehren, indessen das
Reich der Vernichtung, dem Nichts zueilt: was kann schließlich
anderes erfolgen als die Zerstörung aller und von allem ? Wenn
keine höhere umfassende, wahrende und befriedende Gewalt des
Reichs und Kaisertums mehr besteht, verursacht Neid und mit
ihm wachsende Begierlichkeit Kriege, Spaltungen, Zerteilungen.
Und wenn die Fürsten die ganze Macht des Hauptes und des
Reiches und dessen Glieder zerfleischt und verschlungen haben,
dann hört die ganze gestufte Ordnung auf. Dann ist nämlich kein
 
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