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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0028
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28

Martin Dibelius:

den Spott „des Dichters“ hervorgerufen habe und zitiert dann von
diesem ungenannten Dichter die Worte: καί γάρ τάφον, ώ άνα, σεΐο |
Κρητές έτεκτήναντο' σύ δ’ού θάνες, εσσι γάρ αίεί1. Diese Worte
(und die Bezeichnung der Kreter als Lügner) finden sich auch bei
Kallimachos2. Wenn aber Ischodad recht hat, folgte den zitierten
Versen unmittelbar der Spruch ,,in ihm leben, weben und sind
wir“3, und das Ganze stammt nicht von Kallimachos, sondern von
demselben Dichter, auf den der Spottvers von den Kretern4 zurück-
geht. Dessen Verfasser aber soll, nach Clemens Alexandrinus und
Hieronymus, der Dichter Epimenides von Kreta sein5. Da nun
unter dessen Werken auch eine Dichtung Περί Μίνω καί 'Ραδαμάν-
Ευος aufgeführt wird6, erklärt sich die Angabe des Ischodad über
den angeblichen Dichter Minos als ein Mißverständnis des Ischodad
oder seiner Quelle.
Der Areopagredner scheint also das Motiv von der natürlichen
Gottverwandtschaft des Menschen mit zwei Dichterzitaten belegt
zu haben. Nur das zweite hat er ausdrücklich als solches eingeführt.
Die Zitationsformel mit ihrem Plural τινές των καΈ υμάς ποιητών7

1 Chrysostomus XI, ρ. 744 Montf.
2 Callimachus In Jovem 8f. ,,Κρήτες αεί ψεΰσται·“ καί γάρ τάφον, ώ άνα,
σεΐο usw. wie oben.
3 Allerdings muß man eine Abschiebung des ursprünglichen Hexameters
in Act. 17, 28 annehmen. Aber eine solche entsprach dem „guten Ton“ (Nor-
den, Agnostos Theos 19, A. 2). Lake führt Beginnings of Christianity V 250
die Versuche an, den Vers wiederherzustellen: έν γάρ σοί ζώμεν, καί κινύμεθ-5
ήδέ καί έσμέν (Rendel Harris a. a. Ο.) oder έν σοί γάρ ζώμεν καί κινεόμεσ-
-θα καί είμεν (Α. Β. Cook, Zeus I 664). Freilich lassen sich die angeblichen
Minos-Worte bei Ischodad überhaupt nicht in eine lückenlose Reihe von Hexa-
metern verwandeln; es bleibt also immerhin ungewiß, ob Ischodad ganz richtig
zitiert hat.
4 Tit. 1, 12 ειπέν τις έξ αυτών ίδιος αύτών προφήτης· Κρήτες αεί ψεΰσται,
κακά θηρία, γαστέρες άργαί.
5 Vgl. die Stellen in meinem Kommentar zu Tit. 1, 12.
6 Diogenes Laertius I 112 συνέγραψε δέ καί καταλογάδην Περί -θυσιών καί
τής έν Κρήτη πολιτείας καί Περί Μίνω καί "Ραδαμάνθυος εις έπη τετρακισχίλια.
Danach scheint „Minos und Radamanthys“ ein selbständiges poetisches Werk
zu sein, vgl. Zahn, Kommentar z. Apg. 624, Anm. 94 (gegen Diels, Vor-
sokratiker II l2 493, Anm.).
7 Der D-Text ώσπερ καί τών καθ-’ υμάς τινες είρήκασιν (d: sicut qui
secundum vos sunt quidam) scheint das ursprüngliche Fehlen von ποιηταί
vorauszusetzen. Aber vielleicht ist der griechische Text eine Rückübersetzung
aus dem lateinischen; dieser aber ergab sich, weil τινες τών καθ’ύμάς ποιητών
nicht wörtlich wiederzugeben war.
 
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