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Creutz, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 3. Abhandlung): Medizinisch-physikalisches Denken bei Nikolaus von Cues: und die ihm als "Glossae cardinalis" irrig zugeschriebenen medizinischen Handschriften — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41998#0003
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Physikalisches Denken bei einzelnen hervorragenden Ärzten1
ist in allen Zeitabschnitten der Geschichte der Medizin seit dem
Zeitpunkte feststellbar, wo Leukippos von Miletos und Demokritos
von Abdera im 5. Jh. v. Ghr. die Atomenlehre aufstellten. Aber
daß am Ende einer Reihe von hervorragenden medizinisch-physi-
kalischen Vorgängern der Nichtarzt Cusanus nahe dem Ausgange
des Mittelalters als ein solcher Denker von bewundernswerter
Größe steht, ist eine immerhin außergewöhnliche Tatsache, die
sich uns klarer offenbart, wenn wir zuvor ganz kurz die medizinisch-
physikalischen Theorien seiner bedeutendsten Vorgänger umgren-
zen.
Um das Jahr 260 v. Chr. oder schon etwas früher machte der
große Anatom zu Alexandreia Erasistratos, aus Julis auf der Insel
Keos, seine Lehre des Horror vacui (προς τό κενούμενον ακολουθία)
bekannt, die die schon viel ältere bis in die altägyptische Medizin
hinaufreichende Pneumalehre d. h. die Lehre von dem im mensch-
lichen Herzen befindlichen έμφυτον θερμόν mit seinen Auswirkun-
gen durch den ganzen Organismus hindurch, auf rein mechanistische
Basis stellte. Dieses Erasistrateische Problem ist nach den neuesten
Untersuchungen von Jaeger2 eine Verschmelzung von medizini-
schen Gedanken des von Galenos als Arzt und Rhetor bezeichneten
Diokles von Karystos (zweite Hälfte des 4. bis Anfang des 3. Jhd.
v. Chr.) und der Physik des Straton von Lampsakos (gest. um
240 v. Chr.)
Als im Jahre 91 v. Chr. als einer der ersten griechischen Ärzte
der wahrscheinlich in Alexandreia gebildete Asklepiades aus Prusa
in Bithynien nach Rom kam, entwickelte er die Theorie, daß der
menschliche Körper aus unendlich vielen feinsten Urkörperchen
bestehe, die er όγκοι nannte, auf deren Bewegungen in den πόροι
(Poren) das Leben beruhe. Von der Psyche aber hatte er die Vor-
stellung, daß sie eine Zusammenballung der allerfeinsten όγκοι
λεπτομερείς darstelle.
1 Paul Diepgen, Das physikalische Denken in der Geschichte der Medi-
zin, Stuttgart 1939.
2 Werner Jaeger, Diokles von Karystos, die giiech. Medizin und die
Schule des Aristoteles, Berlin 1938.
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