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Rud olf Creutz :
die Zwiesprache mit der Frage an den Philosophen, ob er Kenntnis
davon habe, daß irgendwer jemals über experimentelle Gewichts-
bestimmungen geschrieben habe. Und als sein Partner es mit
Sicherheit verneint und ihn bittet, selbst dem Problem näherzu-
treten, legt Cusanus dem Laien die Worte in den Mund, daß er
überzeugt sei, mittels vergleichender Gewichtsbestimmung zu be-
gründeterer Erkenntnis verborgener Dinge oder wenigstens zu
wahrscheinlicheren Schlußfolgerungen zu gelangen, als bisher. Die
Begründung gibt Cusanus in einer Reihe scharfsinnigster Beobr
achtungen und interessantester Fragestellungen, die sich an diese-
Stelle nur soweit berühren lassen, als sie zu rein medizinischen
Problemen Beziehung haben.
Cusanus beginnt mit der Feststellung, daß die natürliche Ver-
schiedenheit eines genau bemessenen Quantum Wassers einer
Quelle mit dem gleichen Quantum einer zweiten Quelle mit keinem
Instrumente genauer erwiesen werden könne als durch die Waage.
Es folgt der Hinweis, daß das Wasser derselben Quelle zu ver-
schiedenen Zeiten im Gewicht differieren könne, wenn auch an
sich die Verschiedenheiten kaum wahrnehmbar seien und zumeist
der Beachtung nicht für wert gehalten würden. Cusanus spricht
hier nicht ausdrücklich davon, daß die Gewichtsschwankungen
des Wassers der Heilquellen dem wechselnden Gehalt an gelösten
mineralischen Bestandteilen unterliegen, aber es liegt durchaus
nahe, daß er es im Auge hatte. Weit interessanter aber ist, daß er
sofort die erste medizinische Nutzanwendung folgen läßt mit dem
Hinweis auf die Gewichtsschwankungen von Blut und Harn bei
gesunden und kranken Menschen, bei Jünglingen und Greisen,
bei Individuen der gemäßigten und heißen Zonen, Alemannen etwa
und Afrikanern, und mit staunenswerter Intuition formuliert
Cusanus die Frage, ob nicht der Arzt aus solchen Verschiedenheiten,
wenn sie auf Grund sehr vieler Einzelbeobachtungen gleichsam
in tabellarischen Werten festgelegt würden, den größten Nutzen
ziehen könnte. Denn wenn, so sagt Cusanus, dem Arzte für die
Harnbeurteilung neben den bislang üblichen aber trügerischen
Farbenunterschieden zugleich empirische und systematische Ge-
wi chtsbestimmungen zur Verfügung stünden, wäre der Vorteil
ganz unschätzbar. Wem käme bei dieser für das 15. Jahrhundert
verblüffenden Schlußfolgerung nicht sofort der Gedanke, daß hier
die Untersuchungsmethode mittels des spezifischen Gewichtes des
Harns vorgeahnt ist, die seit dem 19. Jahrhundert eine so unerläß-
liche Rolle spielt ?
Rud olf Creutz :
die Zwiesprache mit der Frage an den Philosophen, ob er Kenntnis
davon habe, daß irgendwer jemals über experimentelle Gewichts-
bestimmungen geschrieben habe. Und als sein Partner es mit
Sicherheit verneint und ihn bittet, selbst dem Problem näherzu-
treten, legt Cusanus dem Laien die Worte in den Mund, daß er
überzeugt sei, mittels vergleichender Gewichtsbestimmung zu be-
gründeterer Erkenntnis verborgener Dinge oder wenigstens zu
wahrscheinlicheren Schlußfolgerungen zu gelangen, als bisher. Die
Begründung gibt Cusanus in einer Reihe scharfsinnigster Beobr
achtungen und interessantester Fragestellungen, die sich an diese-
Stelle nur soweit berühren lassen, als sie zu rein medizinischen
Problemen Beziehung haben.
Cusanus beginnt mit der Feststellung, daß die natürliche Ver-
schiedenheit eines genau bemessenen Quantum Wassers einer
Quelle mit dem gleichen Quantum einer zweiten Quelle mit keinem
Instrumente genauer erwiesen werden könne als durch die Waage.
Es folgt der Hinweis, daß das Wasser derselben Quelle zu ver-
schiedenen Zeiten im Gewicht differieren könne, wenn auch an
sich die Verschiedenheiten kaum wahrnehmbar seien und zumeist
der Beachtung nicht für wert gehalten würden. Cusanus spricht
hier nicht ausdrücklich davon, daß die Gewichtsschwankungen
des Wassers der Heilquellen dem wechselnden Gehalt an gelösten
mineralischen Bestandteilen unterliegen, aber es liegt durchaus
nahe, daß er es im Auge hatte. Weit interessanter aber ist, daß er
sofort die erste medizinische Nutzanwendung folgen läßt mit dem
Hinweis auf die Gewichtsschwankungen von Blut und Harn bei
gesunden und kranken Menschen, bei Jünglingen und Greisen,
bei Individuen der gemäßigten und heißen Zonen, Alemannen etwa
und Afrikanern, und mit staunenswerter Intuition formuliert
Cusanus die Frage, ob nicht der Arzt aus solchen Verschiedenheiten,
wenn sie auf Grund sehr vieler Einzelbeobachtungen gleichsam
in tabellarischen Werten festgelegt würden, den größten Nutzen
ziehen könnte. Denn wenn, so sagt Cusanus, dem Arzte für die
Harnbeurteilung neben den bislang üblichen aber trügerischen
Farbenunterschieden zugleich empirische und systematische Ge-
wi chtsbestimmungen zur Verfügung stünden, wäre der Vorteil
ganz unschätzbar. Wem käme bei dieser für das 15. Jahrhundert
verblüffenden Schlußfolgerung nicht sofort der Gedanke, daß hier
die Untersuchungsmethode mittels des spezifischen Gewichtes des
Harns vorgeahnt ist, die seit dem 19. Jahrhundert eine so unerläß-
liche Rolle spielt ?