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Creutz, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 3. Abhandlung): Medizinisch-physikalisches Denken bei Nikolaus von Cues: und die ihm als "Glossae cardinalis" irrig zugeschriebenen medizinischen Handschriften — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41998#0008
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Rudolf Greutz:

Aber unzweifelhaft würde er im Experiment schneller zur Erkennt-
nis des Krankheitsfalles und folglich auch zur gegebenen Arznei-
dosis gelangen. Es könnte sich dabei der Fall ereignen, daß bei
einem scheinbar gesunden Jüngling durch die Wasseruhr Gewichts-
mengen festgestellt werden müßten, die sonst dem Zustande eines
decrepiden Greises entsprächen, alsdann müßte der Arzt die Vor-
aussage eines baldigen Todes stellen und auf diese Weise zu er-
staunlichen Schlußfolgerungen gelangen.
Cusanus geht weiter und vermag seine Argumentierungen
auch auf die zu seiner Zeit noch dominierende Qualitätenlehre
auszudehnen. Er bringt als Beispiel die Fieberlehre und glaubt
mit analogen Messungen die Verschiedenheiten der Paroxysmen
der hitzigen oder der kalten d. h. mit kalten Schüttelfrösten
einhergehenden Fieber darstellen zu können, damit sowohl
die Erkenntnis der unterschiedlichen Heftigkeit der einzelnen
Fieberarten gefördert und zugleich die günstigsten Zeitpunkte
für die Arzneiverabreichung ermittelt werden könnten. Von die-
ser Möglichkeit etwa gegen die mörderischen Formen des Ter-
tiana- und Quartanafiebers wirken zu können selbst ganz beein-
druckt, läßt Cusanus den römischen Philosophen ausrufen, daß sie
die Erforschung des „Sieges“ der einen Qualität über die andere
bedeuten würde, weil gemäß einer zu findenden Regel der Anwen-
dung der Heilmittel eine weit sicherere Grundlage als bisher ge-
boten werden könnte. Und Cusanus fügt hinzu, daß alle diese
Problemstellungen sich noch variieren ließen nach Lebensalter,
Volkszugehörigkeit, Wohngegend und Jahreszeiten.
An einer späteren Stelle seiner Schrift läßt Cusanus noch
erkennen, wie vollkommen klar er sich darüber ist, daß seine zahl-
reichen experimentellen Forderungen auf den verschiedenen Ge-
bieten insgesamt eine gewaltige Arbeitsleistung mit nicht geringem
Schreibwerk bedingen würden. Aber je mehr Forscher sich an der
Arbeit beteiligen würden, um so unfehlbarer wäre der Weg vom
Experiment zum wissenschaftlichen Ergebnis zu durchlaufen und
um so sicherer und größer der Erfo’g zu erringen.
Die Ausdeutung des Cusanus eigenen medizinisch-physikali-
schen Gedankenfluges möchte ich hier abbrechen, da weiterhin
seine außerordentlichen rein physikalischen Probleme auf metallo-
graphischen, astronomischen, astrologischen, musikalischen etc.
Gebieten ganz außer meiner Kompetenz liegen. Rückschauend
möchte ich nur das Eine bestimmt hervorheben, daß der kühn
 
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