220 J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.
auf die Artikel 6—8. Bei der Erklärung der Bitte „Und vergib
uns unsere Schuld“ beginnt er mit derselben Feststellung, die oben
der erste Punkt enthält: wir sind alle von Natur aus mit Schuld
beladen, die Schuld haftet unserer Natur an (n. 36). Der Artikel
„Wie wir an unseren Schuldigem tun“ enthält das himmlische
Gesetz, für das unsere irdische Natur kein Verständnis hat1 (n. 39),
wie der dritte Punkt feststellt. Endlich müssen wir beten: „Führe
uns nicht in Versuchung“, weil wir ohne Gottes Gnade dem Fleisch
und der Sinnlichkeit nicht widerstehen können (n. 41), wie der
zweite Punkt besagt.
Diese drei Artikel bilden nun nicht nur durch ihre Zurück-
beziehung auf die Schilderung des menschlichen Zustandes
einen Ternär, sondern vor allem durch ihren eigenen Inhalt, der
zeigt, wie Gott diesen Zustand zum Bessern wendet. Schon die
Stichworte der Disposition, „eyn lichtigung des hyndernis, eyn wege
wijfe vnd eyn befchirmung“ (S. 28, 10), zeigen den engen Zu-
sammenhang, der zwischen ihnen besteht. Für den Wanderer zum
Himmel gibt es nur ein Hindernis, die Sündenschuld, mag
man dabei an die „Sünde der Natur“, d. h. die Erbsünde, oder an
persönliche Schuld denken. Sie wird uns vergeben, „wenn wir in
seinem Leib mit ihm (nämlich Christus) geeint sind, ... so daß
wir dann den Freibrief unserer Erlösung erhalten können“ (n. 37).
Der Wegweiser ist Christi Gesetz: „tu anderen, wie du willst,
daß dir geschehe“, d. h. konkret gesprochen: da Gott dir vergeben
hat, so vergib auch du dem Mitmenschen, der ebenso wie du Gottes
Geschöpf ist (n. 39f.). Es genügt aber weder die Beseitigung des
Hindernisses noch die Befolgung des Wegweisers, um das Ziel der
Wanderung zu erlangen, wir bedürfen auch des dauernden gött-
lichen Schutzes; denn in dieser Welt können wir ohne Ver-
suchungen zum Bösen nicht sein. Ihn können wir uns nur erbitten
(n. 41).
Das vierte Glied, durch das der Ternär zum Quaternar wird,
ist die Vollendung, „das ende“, wie Cusanus sagt. Wir sind ja
hier auf der Wanderung, und diese ist nicht nur ständig bedroht,
sondern findet auch, insofern sie selbst Teilnahme am Leben dieser
„sinnlichen Welt“ ist, ihren unabwendbaren Abschluß im „sinn-
lichen Tod“ (n. 43, S. 84, 18ff.). Dahinter erst steht die Vollen-
dung, welche die letzte Bitte erfleht, die Erlösung vom Übel. Den
inneren Zusammenhang des letzten Artikels mit den drei vorher-
1 Vgl. auch De Docta Ignorantia III c. 6, S. 136, 16—25.
auf die Artikel 6—8. Bei der Erklärung der Bitte „Und vergib
uns unsere Schuld“ beginnt er mit derselben Feststellung, die oben
der erste Punkt enthält: wir sind alle von Natur aus mit Schuld
beladen, die Schuld haftet unserer Natur an (n. 36). Der Artikel
„Wie wir an unseren Schuldigem tun“ enthält das himmlische
Gesetz, für das unsere irdische Natur kein Verständnis hat1 (n. 39),
wie der dritte Punkt feststellt. Endlich müssen wir beten: „Führe
uns nicht in Versuchung“, weil wir ohne Gottes Gnade dem Fleisch
und der Sinnlichkeit nicht widerstehen können (n. 41), wie der
zweite Punkt besagt.
Diese drei Artikel bilden nun nicht nur durch ihre Zurück-
beziehung auf die Schilderung des menschlichen Zustandes
einen Ternär, sondern vor allem durch ihren eigenen Inhalt, der
zeigt, wie Gott diesen Zustand zum Bessern wendet. Schon die
Stichworte der Disposition, „eyn lichtigung des hyndernis, eyn wege
wijfe vnd eyn befchirmung“ (S. 28, 10), zeigen den engen Zu-
sammenhang, der zwischen ihnen besteht. Für den Wanderer zum
Himmel gibt es nur ein Hindernis, die Sündenschuld, mag
man dabei an die „Sünde der Natur“, d. h. die Erbsünde, oder an
persönliche Schuld denken. Sie wird uns vergeben, „wenn wir in
seinem Leib mit ihm (nämlich Christus) geeint sind, ... so daß
wir dann den Freibrief unserer Erlösung erhalten können“ (n. 37).
Der Wegweiser ist Christi Gesetz: „tu anderen, wie du willst,
daß dir geschehe“, d. h. konkret gesprochen: da Gott dir vergeben
hat, so vergib auch du dem Mitmenschen, der ebenso wie du Gottes
Geschöpf ist (n. 39f.). Es genügt aber weder die Beseitigung des
Hindernisses noch die Befolgung des Wegweisers, um das Ziel der
Wanderung zu erlangen, wir bedürfen auch des dauernden gött-
lichen Schutzes; denn in dieser Welt können wir ohne Ver-
suchungen zum Bösen nicht sein. Ihn können wir uns nur erbitten
(n. 41).
Das vierte Glied, durch das der Ternär zum Quaternar wird,
ist die Vollendung, „das ende“, wie Cusanus sagt. Wir sind ja
hier auf der Wanderung, und diese ist nicht nur ständig bedroht,
sondern findet auch, insofern sie selbst Teilnahme am Leben dieser
„sinnlichen Welt“ ist, ihren unabwendbaren Abschluß im „sinn-
lichen Tod“ (n. 43, S. 84, 18ff.). Dahinter erst steht die Vollen-
dung, welche die letzte Bitte erfleht, die Erlösung vom Übel. Den
inneren Zusammenhang des letzten Artikels mit den drei vorher-
1 Vgl. auch De Docta Ignorantia III c. 6, S. 136, 16—25.