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Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0224
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J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.

„nae dem vns den möglich is in difer wandelber zijt zu
entphaen“ (S. 66, 1—4). Das besagt: die Form, in der Christus
uns hienieden zur Speise gegeben wird, ist unserm Zustand als
Erdenpilger, die zu Gott wandern wollen, angepaßt. So wird er
uns seinem Wesen nach im Sakrament, d. h. also unter einem
sinnlichen Zeichen, gegeben; denn er selbst ist ja nach seiner Auf-
erstehung in einen Zustand der Herrlichkeit eingegangen, der ihn
für uns unsichtbar macht (n. 31 f.). Seiner Weisheit nach wird
er uns in seiner Lehre gegeben; diese ist nicht nur an und für
sich „voll aller Weisheit, voll aller Tugend und unübertrefflich wie
der Meister selbst“ (S. 70, 3), sondern entspricht vor allem ganz
unserer Pilgerschaft, wie Cusanus eindringlich an der Bitte um
das tägliche Brot zeigt. Hier ist die einzige Stelle, an der er von
der Sorge um die leibliche Nahrung spricht, aber nur, um uns ein-
zuschärfen, daß jeder von seinem Überfluß den Armen und Dürf-
tigen mitgeben muß (n. 33). Endlich wird Christus uns nach seiner
Gutheit gegeben in seinem Leben. Dieses ist für uns nicht nur
irgendwie Vorbild, sondern das Vorbild schlechthin. Denn Christus
hat ja sein menschliches Leben um unseres Heiles willen uns vor-
gelebt. Mit Christus gespeist zu werden, schließt also die Pflicht
ein, den Weg zu wandeln, den er gewandelt ist (n. 34f.)•
Aus dem Gesagten dürfte die Struktur der ganzen Auslegung
klar geworden sein. Es ist nicht zu verkennen, daß sie bis ins
letzte durchdacht ist, so daß hier jedes Glied seine ihm zukom-
mende Stelle hat. Man sieht auch deutlich, welch große Rolle
dabei die Zahlen Drei und Vier spielen: der erste und letzte Ab-
schnitt besteht aus je einem Ternär, der sich durch ein weiteres
Glied zum Quaternar entfaltet. Der mittlere Abschnitt besteht
aus zwei Teilen, die beide ternarisch gegliedert sind.
Nun bleiben aber noch zwei kleine Stücke übrig, die scheinbar
aus dem kunstvollen Aufbau des Ganzen herausfallen: n. 18 und
n. 45—46. Sie fügen sich aber doch gut ein, insofern sie beide an
entscheidenden Stellen aus den voraufgehenden mehr theoreti-
schen Darlegungen praktische Folgerungen ziehen. Der erste
Abschnitt (n. 18) ist dazu bestimmt, den Menschen überhaupt aus
seiner Gleichgültigkeit aufzurütteln. Darum soll er hier auf eine
einfache Weise lernen, wie er sich von dieser Welt zu Gott kehren
soll, nämlich von aller Vielheit zur Einheit des Ursprungs, d. h.
zum Vater; von aller Ungleichheit und allem Unrecht zur Gleich-
heit und Gerechtigkeit, d. h. zum Sohn; endlich von aller Sonde-
 
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