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J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.
tod (84, 20; 86, 2. 10) finden wir DI 150, 13 den genauen Gegen-
satz in intellectualis mors, womit der Zustand der Verdammten
bezeichnet wird. In der Auslegung gebraucht Cusanus statt dessen
das Wort doit ohne jeden Zusatz (54, 18; 60, 8; 74, 1): der jyn-
liche tod ist eben nur Tod in gewissem Sinne, unvermeidliches und
schmerzvolles Abscheiden aus der sinnlichen Welt, aber mit der
Hoffnung auf ein neues und besseres Leben. Der Tod der Ver-
dammten ist aber Tod schlechthin. Es ist ein Zeichen für ein
feines Sprachgefühl, daß Cusanus seinen eigenen lateinischen Ter-
minus nicht ins Deutsche übersetzt.
c) Endlich zum dritten Gegensatz: vnjichtlich (verborgen) —
jichtlich. Diese Welt ist /ichtlich (24, 11 = mundus visibilis 12, 18);
im Gegensatz zu ihr steht die verborgen wijjheit gotes. 82, 20 steht
jichtliche werelt gegenüber dem boefen geijt, der seiner Natur nach
unsichtbar ist. Dasselbe gilt von unserer Seele (68, 8).
3. Adjektiva, die von den Objekten oder Gütern hergenommen
sind, denen die himmlische und die irdische Natur zugeordnet sind:
ondoetlicheit (ewicheit), wairheit und das guede einerseits, das ver-
gencliche, onware, fchynende guede anderseits (50, 17f.; 52, 12ff.).
Während also auf der einen Seite drei bzw. vier Abstrakta zur
Bezeichnung der Objekte verwendet werden, denen die vernünftige
Natur nach ihrem Wesen und ihren Kräften zugeordnet ist, be-
zeichnet Cusanus als Objekt der natürlichen Neigung der sinn-
lichen Natur eine besondere, mindere Form des Guten, die analog
zu den drei Abstrakta mit drei Adjektiven charakterisiert wird1.
Der Grund für diese sprachliche Verschiedenheit ergibt sich aus
der Sache: kein Streben, und darum auch keine Neigung, hat eine
rein negative Richtung, sondern geht immer auf etwas Gutes, mag
dies auch von 'dem Guten’ weit entfernt sein.
Hierher gehören nun folgende Paare gegensätzlicher Adjektiva:
a) Vndoitlich ■— doitlich (fleijchlich). Ewicheit (= aeternitas)
und ondoetlicheit (— immortalitas 50, 4—8*) besagen nicht das-
1 M. E. ist unsere Übersetzung von 52, 14 (,,zu dem Vergänglichen,
Unwahren und nur scheinbar Guten“) nicht richtig. Für den substantivi-
schen Gebrauch könnte man sich wohl auf 46, 6f. berufen. Dem gegenüber
fallen aber zwei Tatsachen stärker ins Gewicht: 1. S schreibt: zu dem ver-
gencklichen vnd bandelbertigen güt; er hat also nur güt als Substantiv auf-
gefaßt. 2. M. Geist übersetzt: ad transitorium, non verum splendorem boni.
Auch er hat jedenfalls vergenclich und onwar als Adjektiva aufgefaßt; an
Stelle von jchynenden guede hat er wohl jchyn des guedes gelesen.
J. Koch und H. Teske Cusanus-Texte: I. Predigten, 6.
tod (84, 20; 86, 2. 10) finden wir DI 150, 13 den genauen Gegen-
satz in intellectualis mors, womit der Zustand der Verdammten
bezeichnet wird. In der Auslegung gebraucht Cusanus statt dessen
das Wort doit ohne jeden Zusatz (54, 18; 60, 8; 74, 1): der jyn-
liche tod ist eben nur Tod in gewissem Sinne, unvermeidliches und
schmerzvolles Abscheiden aus der sinnlichen Welt, aber mit der
Hoffnung auf ein neues und besseres Leben. Der Tod der Ver-
dammten ist aber Tod schlechthin. Es ist ein Zeichen für ein
feines Sprachgefühl, daß Cusanus seinen eigenen lateinischen Ter-
minus nicht ins Deutsche übersetzt.
c) Endlich zum dritten Gegensatz: vnjichtlich (verborgen) —
jichtlich. Diese Welt ist /ichtlich (24, 11 = mundus visibilis 12, 18);
im Gegensatz zu ihr steht die verborgen wijjheit gotes. 82, 20 steht
jichtliche werelt gegenüber dem boefen geijt, der seiner Natur nach
unsichtbar ist. Dasselbe gilt von unserer Seele (68, 8).
3. Adjektiva, die von den Objekten oder Gütern hergenommen
sind, denen die himmlische und die irdische Natur zugeordnet sind:
ondoetlicheit (ewicheit), wairheit und das guede einerseits, das ver-
gencliche, onware, fchynende guede anderseits (50, 17f.; 52, 12ff.).
Während also auf der einen Seite drei bzw. vier Abstrakta zur
Bezeichnung der Objekte verwendet werden, denen die vernünftige
Natur nach ihrem Wesen und ihren Kräften zugeordnet ist, be-
zeichnet Cusanus als Objekt der natürlichen Neigung der sinn-
lichen Natur eine besondere, mindere Form des Guten, die analog
zu den drei Abstrakta mit drei Adjektiven charakterisiert wird1.
Der Grund für diese sprachliche Verschiedenheit ergibt sich aus
der Sache: kein Streben, und darum auch keine Neigung, hat eine
rein negative Richtung, sondern geht immer auf etwas Gutes, mag
dies auch von 'dem Guten’ weit entfernt sein.
Hierher gehören nun folgende Paare gegensätzlicher Adjektiva:
a) Vndoitlich ■— doitlich (fleijchlich). Ewicheit (= aeternitas)
und ondoetlicheit (— immortalitas 50, 4—8*) besagen nicht das-
1 M. E. ist unsere Übersetzung von 52, 14 (,,zu dem Vergänglichen,
Unwahren und nur scheinbar Guten“) nicht richtig. Für den substantivi-
schen Gebrauch könnte man sich wohl auf 46, 6f. berufen. Dem gegenüber
fallen aber zwei Tatsachen stärker ins Gewicht: 1. S schreibt: zu dem ver-
gencklichen vnd bandelbertigen güt; er hat also nur güt als Substantiv auf-
gefaßt. 2. M. Geist übersetzt: ad transitorium, non verum splendorem boni.
Auch er hat jedenfalls vergenclich und onwar als Adjektiva aufgefaßt; an
Stelle von jchynenden guede hat er wohl jchyn des guedes gelesen.