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Panzer, Friedrich; Wolfram; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 1. Abhandlung): Gahmuret: Quellenstudien zu Wolframs Parzival — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42017#0016
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Friedrich Panzer:

kannt gewesen sein, in der eben dies Motiv die bedeutsamste Rolle
spielt. Wie sehr solche Geschichten für die Zeit in der Luft lagen,
mag die Tatsache beweisen, daß selbst Thomas Beckets Vater
Gilbert angedichtet wurde, er habe, im Morgenlande auf einer
Pilgerfahrt von den Sarazenen gefangen genommen, die Liebe der
Tochter eines Amiraldus gewonnen, die ihm, als er der Gefangen-
schaft heimlich entronnen war, über Meer und Land nachgezogen
sei und in den Straßen Londons nach ihm gerufen habe, bis er sie
als Gattin annahm, s. Vita S. Thomae ed. I. A. Giles, Oxoniae
1845, II. 183ff. C. F. Meyers Ballade „Zwei Worte“ hat unserer
Zeit die rührende Geschichte wieder bekannt gemacht. In Deutsch-
land berichtet im 13. Jahrhundert Wilbrands von Oldenburg
„Peregrinatio“ voll Entrüstung, daß der Herr des castrum Gibel
filiam Soldani de Halaph geheiratet habe1.
Nun findet sich freilich ein eigentümliches Gegenstück zu dem
Berichte Wolframs in einer mittelniederländischen Erzählung, die
man „Moriaen“ zu betiteln gewohnt ist. Sie ist nur bekannt als
eine Episode und offenbares Einschiebsel in jenem riesenhaften
mittelniederländischen Reimwerk von „Lanzelot“, das in einer
Haager Handschrift aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
erhalten ist2. Das Merkwürdigste an dem Stücke ist, daß auch seine
Erzählung, wenn auch in etwas abweichender Weise, mit Parzival
verknüpft ist.
Der Inhalt ist in Kürze der: Einst zogen Walewein und Lan-
zelot auf Betreiben des Königs Artus aus, um Perceval zu suchen,
der sich lange nicht mehr an des Königs Hof hatte blicken lassen.
Sie treffen unterwegs einen jungen, stürmisch tapferen Ritter von
rabenschwarzer Hautfarbe, der sich ihnen als Moriaen, Neffen des
Perceval, zu erkennen gibt. Er ist, so berichtet er, Sohn des Aglo-
val, eines Bruders Percevals. Sein Vater habe ein Liebesverhältnis
mit einer Mohrin gehabt, sie aber verlassen. Moriaen, nach seinem
Abschied geboren, habe als vaterloses Kind das Erbe der Mutter
nicht antreten dürfen und ist nun, kaum erwachsen, ausgezogen,
den Vater zu suchen. Er schließt sich den beiden Rittern an, die
1 Peregrinatores medii sevi quatuor rec. J. C. M. Laurent, Lips. 1864,
Wilbrandi de Oldenborg Peregrinatio c. XI, S. 170.
2 Roman van Lancelot uitg. door W. J. A. Jonckbloet, ’s Gravens-
hage 1846—49; darin der Moriaen I. 284ff., V. 42547ff. — Eine Sonder-
ausgabe des Moriaen gab J. te Winkel, Groningen 1878, in der Bibi. v. mndl.
Letterkunde 20.
 
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