Gahmuret, Quellenstudien zu Wolframs Parzival
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Lage, in der Gahmuret Belakanen trifft und die Möglichkeit erhält,
ihre Hand zu erwerben. Ich halte sie umso zuversichtlicher für
eine Erfindung Wolframs, als sie um ein sittliches Problem sich
baut, das den Dichter dauernd, in Epik und Lyrik, beschäftigt hat:
den Widerstreit von Konvention und Natur, dem nachzusinnen die
so feinen als starren Formen, wie die ritterliche Gesellschaft der
Stauferzeit sie herausgebildet hatte, mannigfachen Anlaß gaben.
Diese Isenhart-Belakanengeschichte nimmt deutlich das Schio-
natulander-Sigunenmotiv voraus, das Wolfram so lebhaft be-
schäftigte, daß er nicht nur im Parzival die Sigunenauftritte in
Chrestiens Boman stark erweiterte, sondern den Vorgang zur
Fabel eines eigenen Epos voll stärksten Gefühlsgehalts und lyri-
schen Schwunges zu machen gedachte, dessen Vollendung ihm
leider nicht mehr vergönnt war.
Die Einzelheiten dieser Erzählung und die Ausdeutung ihres
Textes sind teilweise lebhaft umstritten worden; allein über das
Thema „Zelt und Harnisch im Parzival“ ist eine umfangreiche
Literatur erwachsen1. Sie hat heute ihr fast einziges Interesse
darin, daß man einmal sehe, was Gelehrte einem großen Dichter
an „Mißverständnis“, „gedankenloser Kopie der Vorlage“, „un-
klarer Vermengung“, „Nachlässigkeit“, „Kompositionsfehlern“ und
wie all die Vorwürfe lauten, zuzutrauen bereit sind, wo seine Worte
einem Scheinwissen widersprechen. All das Geschriebene ist über-
wiegend gegenstandslos und reine Makulatur, weil es lediglich aus
Unkenntnis der Bedeutung von mhd. harnas erwachsen ist, das
eben nicht oder mindestens nicht nur „Büstung“, sondern vielmehr
„Ausrüstung“ bedeutet und das gesamte Gepäck, den ganzen Troß
bezeichnet, den ein zum Kampfe ausziehender Bitter mit sich
führt — dies in voller Übereinstimmung mit dem altfranzösischen
harnois, aus dem das mhd. Wort ja übernommen ist. Das hat zu-
erst Heinzel gesehen (Wiener Sitzungsber. 130, 99ff.). Lehrreiche
Belege für den französischen Gebrauch des Wortes bietet der weiter
unten näher zu betrachtende Joufrois V. 914ff., 2539ff., 2640ff.,
2671 ff.; man sieht dort deutlich, daß nicht nur Rüstungsstücke
jeder Art (armeures), Wappen, Kleider, auch das mitgenommene
Geld, daß selbst Rosse und Säumer und sogar Knappen und Knechte
zum hernois gehören. Daß auch die mitgenommenen Zelte dazu
1 E. Schulz (San Marte), Germ. 2, 85ff.; H. Paul, PBB. 2, 71 ff.;
Bötticher, ZfdPh. 13, 385ff.; J. Zacher, ebd. 395ff.; L. Fulda, Germ. 31,
41 ff.; P. Hagen, ebd. 37, 97ff.; K. Drescher, ZfdA. 46, 301 ff.
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Lage, in der Gahmuret Belakanen trifft und die Möglichkeit erhält,
ihre Hand zu erwerben. Ich halte sie umso zuversichtlicher für
eine Erfindung Wolframs, als sie um ein sittliches Problem sich
baut, das den Dichter dauernd, in Epik und Lyrik, beschäftigt hat:
den Widerstreit von Konvention und Natur, dem nachzusinnen die
so feinen als starren Formen, wie die ritterliche Gesellschaft der
Stauferzeit sie herausgebildet hatte, mannigfachen Anlaß gaben.
Diese Isenhart-Belakanengeschichte nimmt deutlich das Schio-
natulander-Sigunenmotiv voraus, das Wolfram so lebhaft be-
schäftigte, daß er nicht nur im Parzival die Sigunenauftritte in
Chrestiens Boman stark erweiterte, sondern den Vorgang zur
Fabel eines eigenen Epos voll stärksten Gefühlsgehalts und lyri-
schen Schwunges zu machen gedachte, dessen Vollendung ihm
leider nicht mehr vergönnt war.
Die Einzelheiten dieser Erzählung und die Ausdeutung ihres
Textes sind teilweise lebhaft umstritten worden; allein über das
Thema „Zelt und Harnisch im Parzival“ ist eine umfangreiche
Literatur erwachsen1. Sie hat heute ihr fast einziges Interesse
darin, daß man einmal sehe, was Gelehrte einem großen Dichter
an „Mißverständnis“, „gedankenloser Kopie der Vorlage“, „un-
klarer Vermengung“, „Nachlässigkeit“, „Kompositionsfehlern“ und
wie all die Vorwürfe lauten, zuzutrauen bereit sind, wo seine Worte
einem Scheinwissen widersprechen. All das Geschriebene ist über-
wiegend gegenstandslos und reine Makulatur, weil es lediglich aus
Unkenntnis der Bedeutung von mhd. harnas erwachsen ist, das
eben nicht oder mindestens nicht nur „Büstung“, sondern vielmehr
„Ausrüstung“ bedeutet und das gesamte Gepäck, den ganzen Troß
bezeichnet, den ein zum Kampfe ausziehender Bitter mit sich
führt — dies in voller Übereinstimmung mit dem altfranzösischen
harnois, aus dem das mhd. Wort ja übernommen ist. Das hat zu-
erst Heinzel gesehen (Wiener Sitzungsber. 130, 99ff.). Lehrreiche
Belege für den französischen Gebrauch des Wortes bietet der weiter
unten näher zu betrachtende Joufrois V. 914ff., 2539ff., 2640ff.,
2671 ff.; man sieht dort deutlich, daß nicht nur Rüstungsstücke
jeder Art (armeures), Wappen, Kleider, auch das mitgenommene
Geld, daß selbst Rosse und Säumer und sogar Knappen und Knechte
zum hernois gehören. Daß auch die mitgenommenen Zelte dazu
1 E. Schulz (San Marte), Germ. 2, 85ff.; H. Paul, PBB. 2, 71 ff.;
Bötticher, ZfdPh. 13, 385ff.; J. Zacher, ebd. 395ff.; L. Fulda, Germ. 31,
41 ff.; P. Hagen, ebd. 37, 97ff.; K. Drescher, ZfdA. 46, 301 ff.