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Martin Honecker:
er für deren Namen und den Namen Nikolaus nach hebräischen
Ableitungen suchte. Die Gewaltsamkeiten jener „Etymologien“
würden damit eine gewisse Entlastung erhalten. Anderseits ver-
steht man dann auch, weshalb das Wort effusio bei Nicolaus weg-
blieb ; denn der Autor konnte nicht wagen, den für die Nikolaiten
vielleicht zutreffenden schlimmen Sinn von effusio ganz allgemein
auf Nikolaus anzuwenden.
Im ganzen ist gewiß für all diese Pseudo-Etymologien zu be-
achten, daß es dem Autor wohl weniger auf eine sprachlich verant-
wortbare Erklärung ankam als vielmehr darauf, im Rahmen hebrä-
ischer Namenerklärungen — denn diesem Ziele dient ja das ganze
Werk -— den Bibellesern eine erbauliche Erfassung der Eigen-
namen zu ermöglichen und damit der Bibelallegorese zu dienen.
8.
A. Magister Keck mag die Ableitung Nicolaus = stultus eccle-
siae languentis unmittelbar einer ihm zugänglichen Hieronymus-
Handschrift entnommen haben; denn der Wortlaut stimmt völlig
mit einer der Fassungen bei Hieronymus überein, so daß eine
mittelbare Entlehnung über irgendeine Tradition im vorliegenden
Falle nicht angenommen zu werden braucht.
Dennoch ist die Frage nicht ohne allgemeineres Interesse,
welchen Nachhall diese und die anderen Erklärungen der Namen
Nicolaus und Nicolaitae in der christlichen Literatur gehabt haben;
denn es fällt, wie wir sehen werden, von da aus ein gewisses Licht
auf die Art und Weise, wie man mit solchem onomastischem Ma-
terial umging. Unsere Ergebnisse darüber sind auch dann nicht
ohne Wert, wenn die Reihe der herangezogenen Schriften nicht
ganz vollständig ist.
Zu suchen hat man die in Frage stehende Tradition 1. in der
dogmatisch-apologetischen Literatur, soweit sie sich mit der Sekte
der Nikolaiten befaßt, 2. in den Kommentaren zur Apokalypse
und zur Apostelgeschichte, 3. in lexikalischen Werken68.
68 Der Verf. hat sich bemüht, das gesamte fragliche Schrifttum durch-
zuarbeiten. Es mag ihm dabei die eine oder andere Stelle entgangen sein;
die darzulegende Traditionsgeschichte will auch gar keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erheben. Die Untersuchung wurde übrigens bis auf die Mitte
des XV. Jahrhunderts durchgeführt, da sie immer auch unter der Frage er-
folgte, ob nicht doch eine ganz bestimmte Quelle aus diesem Schriftgut für
Keck in Betracht komme.
Martin Honecker:
er für deren Namen und den Namen Nikolaus nach hebräischen
Ableitungen suchte. Die Gewaltsamkeiten jener „Etymologien“
würden damit eine gewisse Entlastung erhalten. Anderseits ver-
steht man dann auch, weshalb das Wort effusio bei Nicolaus weg-
blieb ; denn der Autor konnte nicht wagen, den für die Nikolaiten
vielleicht zutreffenden schlimmen Sinn von effusio ganz allgemein
auf Nikolaus anzuwenden.
Im ganzen ist gewiß für all diese Pseudo-Etymologien zu be-
achten, daß es dem Autor wohl weniger auf eine sprachlich verant-
wortbare Erklärung ankam als vielmehr darauf, im Rahmen hebrä-
ischer Namenerklärungen — denn diesem Ziele dient ja das ganze
Werk -— den Bibellesern eine erbauliche Erfassung der Eigen-
namen zu ermöglichen und damit der Bibelallegorese zu dienen.
8.
A. Magister Keck mag die Ableitung Nicolaus = stultus eccle-
siae languentis unmittelbar einer ihm zugänglichen Hieronymus-
Handschrift entnommen haben; denn der Wortlaut stimmt völlig
mit einer der Fassungen bei Hieronymus überein, so daß eine
mittelbare Entlehnung über irgendeine Tradition im vorliegenden
Falle nicht angenommen zu werden braucht.
Dennoch ist die Frage nicht ohne allgemeineres Interesse,
welchen Nachhall diese und die anderen Erklärungen der Namen
Nicolaus und Nicolaitae in der christlichen Literatur gehabt haben;
denn es fällt, wie wir sehen werden, von da aus ein gewisses Licht
auf die Art und Weise, wie man mit solchem onomastischem Ma-
terial umging. Unsere Ergebnisse darüber sind auch dann nicht
ohne Wert, wenn die Reihe der herangezogenen Schriften nicht
ganz vollständig ist.
Zu suchen hat man die in Frage stehende Tradition 1. in der
dogmatisch-apologetischen Literatur, soweit sie sich mit der Sekte
der Nikolaiten befaßt, 2. in den Kommentaren zur Apokalypse
und zur Apostelgeschichte, 3. in lexikalischen Werken68.
68 Der Verf. hat sich bemüht, das gesamte fragliche Schrifttum durch-
zuarbeiten. Es mag ihm dabei die eine oder andere Stelle entgangen sein;
die darzulegende Traditionsgeschichte will auch gar keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erheben. Die Untersuchung wurde übrigens bis auf die Mitte
des XV. Jahrhunderts durchgeführt, da sie immer auch unter der Frage er-
folgte, ob nicht doch eine ganz bestimmte Quelle aus diesem Schriftgut für
Keck in Betracht komme.