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Honecker, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1939/40, 2. Abhandlung): Der Name des Nikolaus von Cues in zeitgenössischer Etymologie: zugleich ein Beitrag zum Problem der Onomastika — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42018#0022
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22

Martin IIonecker:

lieh G. An rieh festgestellt hat72, ist einerseits der Name Nikolaus
in der frühen christlichen Welt verhältnismäßig selten. Bis zum
IV. Jahrhundert ist er (außer Act. Apost. 6, 5) in der christlichen
Literatur überhaupt nicht nachweisbar73; vom IV. Jahrhundert
und besonders vom Anfang des V. Jahrhunderts ab tritt er dann
gelegentlich auf. Für die Zeit vom V. bis zum VII. Jahrhundert
sind aber immer noch außerhalb Lykiens nur 7 Träger des Namens
bekannt. Lediglich Lykien, als Heimat des hl. Nikolaus von
Myra (IV. Jahrhundert) weist 16—17 Träger des Namens auf.
Wo man aber beim Namen Nikolaus vorzüglich an den genannten
Heiligen dachte — und damit kommen wir zum zweiten Punkt -—
wird man keineswegs geneigt gewesen sein, die merkwürdige Na-
menserklärung des Pseudo-Origenes auf diese angesehene und
populäre Gestalt anzuwenden.
C. Ganz anders steht es nun um die lateinische Tradition,
die naturgemäß von den Hieronymus-Stellen ausgeht. Sie ist nicht
nur beträchtlich umfangreicher, sondern auch mannigfaltiger. Sie
weist nämlich drei verschiedene Typen auf, wobei wir von den
bloßen Anklängen an die Hieronymusstellen noch absehen. Keiner
dieser Typen setzt aber — wenigstens für unsere Kenntnis — vor
dem VIII. Jahrhundert ein, so daß immerhin in jedem Falle zwi-
schen Hieronymus und dem ersten Auftreten der einzelnen Tra-
ditionstypen eine große Zeitlücke klafft.
a) In der ersten Traditionslinie ist von der Formel stultus
ecclesiae languentis — wohl weil man mit dem übrigen nichts an-
zufangen wußte — nur stultus übrig geblieben. Es sind lauter
Glossen, besser Glossarien, also lexikalische Werke, in denen
man diese knappste Form der Überlieferung antrifft. An der Spitze
steht die Glossa Abba (Cod. Sangall. 912; VIII. Jhd.)74. Nicht viel
jünger ist eine Stelle in der Glossa Ajfatim {Cod. Leid. 67 F; VIII/
IX. Jhd.)75. In diesen beiden Glossarien findet sich die hieronymi-
72 G. Anrich, Hagios Nikolaos. Der hl. Nikolaus in der griechischen
Kirche. Texte und Untersuchungen. 2 Bde., 1913/17; II 452f.
73 Anrich vermutet wohl mit Recht, daß der üble Ruf der Nikolaiten
von der Verwendung des Namens Nikolaus abgeschreckt habe.
74 Glossa Abba, ed. M. Inguanez et G. J. Fordyce (Glossaria latina,
iussu Academiae Britannicae edita, Vol. V.), Paris 1931, S. 92. Auf Grund
desselben Cod. Sangall. 912 und vier weiterer Hss. hatte Gg. Goetz ebenfalls
eine Glossa Abba ediert : Corpus glossariorum latinorum, Bd. IV (1889); dort
steht unsere Stelle S. 262, 1.
75 Hrsg, von Gg. Goetz, ebd. 541, 51.
 
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