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Otto Weinreich:
'Mit Naevius Mund ist der der Camenen verstummt’, das ist ein
guter Gedanke. Nicht die ars wird durch das Los des artijex be-
troffen, sondern ihre Geberinnen; ich vergleiche bei Martial die
Veneres Cupidinesque, die Spenderinnen aller geistig-leiblichen
venustas.
Im Epitaph, das nach Varros Ansicht Plautus für sich selbst
verfaßt hat (Gellius 1, 24, 3; Morel S. 32), trauern die Comoedia
und die in ihr wirksamen guten Geister um den Dichter, und die
Bühne ist vereinsamt:
Post quam est mortem aptus Plautus, Comoedia luget,
scaena est deserta, dein Risus Ludus locusque
et Numeri innumeri simul omnes conlacrimarunt.
Hier ist nicht vom Verstummen die Rede; die Personifikationen
der Komödie und der mit ihr verbundenen Eigenschaften oder
ihrer Bestandteile bilden gleichsam die praeficae, die die nenia
übernehmen, aber sie sinken nicht wie indische Witwen oder mensch-
liche Totenopfer mit dem Abgeschiedenen ins Grab. Man kann
fragen, ob auf Grund dieses Epigramms und in Anbetracht der
personifikationsfreudigen Epoche eines Martial und Statius unsere
Substantivreihe — als Gruppe von Personifikationen — den
Vortrab zu Veneres Cupidinesque bilden könnte. In der Tat kom-
men Ars, Dolor, Gratia, Voluptas so vor* 1, und decus steht nah bei
Decor, lusus bei Ludus; aber an deliciae und sales, die als Personi-
fikationen nicht belegbar sind, scheitert dieser Gedanke2. Im Epi-
gramm häufen im allgemeinen wohl erst Byzantiner Personifi-
kationen3; doch muß dem auf Plautus verfaßten ein hellenisti-
sches Vorbild den Weg gewiesen haben. Das Parisepigramm ge-
wönne nicht, verlöre nur bei der Annahme von Personifikationen.
ziehen, weil es zur Korruptel von oblitae geführt hat (Brachmann). Für Ca-
menae als Subjekt des Schlußsatzes spricht nicht nur die gute Abrundung,
sondern vor allem die Personifikationen Comoedia, Risus usw. im gleich zu
zitierenden Plautusepitaph. Erst die Zeitgenossen Giceros wagen vom Ver-
stummen der Menschen zu sprechen, in Steigerung jener Anfänge. E. Bickels
Übersetzung (Lehrbuch d. Gesch. d. röm. Lit. 432) ,,in Rom sie es ver-
gaßen, zu reden auf Lateinisch“ würde man auf „die Sangesgeister“ beziehen,
wenn nicht der lateinische Text dabei stünde, der bei Bickel obliti lautet.
1 Belege teils im Thes., teils in Deubners 'Personifikationen’ (Roscher
III), im Register s.s. v.v.
2 Übrigens gibt es Numeri wohl auch nur im obigen Epigramm; Sales
oder Deliciae wäre auch nicht kühner als jenes.
3 Vgl. ARW 35, 1938, 312f. A. 4.
Otto Weinreich:
'Mit Naevius Mund ist der der Camenen verstummt’, das ist ein
guter Gedanke. Nicht die ars wird durch das Los des artijex be-
troffen, sondern ihre Geberinnen; ich vergleiche bei Martial die
Veneres Cupidinesque, die Spenderinnen aller geistig-leiblichen
venustas.
Im Epitaph, das nach Varros Ansicht Plautus für sich selbst
verfaßt hat (Gellius 1, 24, 3; Morel S. 32), trauern die Comoedia
und die in ihr wirksamen guten Geister um den Dichter, und die
Bühne ist vereinsamt:
Post quam est mortem aptus Plautus, Comoedia luget,
scaena est deserta, dein Risus Ludus locusque
et Numeri innumeri simul omnes conlacrimarunt.
Hier ist nicht vom Verstummen die Rede; die Personifikationen
der Komödie und der mit ihr verbundenen Eigenschaften oder
ihrer Bestandteile bilden gleichsam die praeficae, die die nenia
übernehmen, aber sie sinken nicht wie indische Witwen oder mensch-
liche Totenopfer mit dem Abgeschiedenen ins Grab. Man kann
fragen, ob auf Grund dieses Epigramms und in Anbetracht der
personifikationsfreudigen Epoche eines Martial und Statius unsere
Substantivreihe — als Gruppe von Personifikationen — den
Vortrab zu Veneres Cupidinesque bilden könnte. In der Tat kom-
men Ars, Dolor, Gratia, Voluptas so vor* 1, und decus steht nah bei
Decor, lusus bei Ludus; aber an deliciae und sales, die als Personi-
fikationen nicht belegbar sind, scheitert dieser Gedanke2. Im Epi-
gramm häufen im allgemeinen wohl erst Byzantiner Personifi-
kationen3; doch muß dem auf Plautus verfaßten ein hellenisti-
sches Vorbild den Weg gewiesen haben. Das Parisepigramm ge-
wönne nicht, verlöre nur bei der Annahme von Personifikationen.
ziehen, weil es zur Korruptel von oblitae geführt hat (Brachmann). Für Ca-
menae als Subjekt des Schlußsatzes spricht nicht nur die gute Abrundung,
sondern vor allem die Personifikationen Comoedia, Risus usw. im gleich zu
zitierenden Plautusepitaph. Erst die Zeitgenossen Giceros wagen vom Ver-
stummen der Menschen zu sprechen, in Steigerung jener Anfänge. E. Bickels
Übersetzung (Lehrbuch d. Gesch. d. röm. Lit. 432) ,,in Rom sie es ver-
gaßen, zu reden auf Lateinisch“ würde man auf „die Sangesgeister“ beziehen,
wenn nicht der lateinische Text dabei stünde, der bei Bickel obliti lautet.
1 Belege teils im Thes., teils in Deubners 'Personifikationen’ (Roscher
III), im Register s.s. v.v.
2 Übrigens gibt es Numeri wohl auch nur im obigen Epigramm; Sales
oder Deliciae wäre auch nicht kühner als jenes.
3 Vgl. ARW 35, 1938, 312f. A. 4.