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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0089
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen

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gangszeit in West- und Süddeutschland“. Daraus aber ergibt sich,
daß hier weniger nach weiterem Stoff als nach einer neuen Deu-
tung des tatsächlich vorhandenen gesucht werden sollte.
Prüft man den typischen Inhalt der älteren Reihengräber auf
seine Herkunft hin, dann ergibt sich eine ganze Anzahl von For-
men, die offenbar ohne Vorstufen sind und plötzlich doch zu den
sehr geläufigen Erscheinungen der Friedhöfe gehören. Beispiels-
weise ist das im fränkischen Raum besonders verbreitete Ton-
gefäß, der sog. Doppelkonus, mit einem Male fertig da; es wird
im Laufe der Zeit ein wenig weitergebildet und vergrößert das
Gebiet seines ursprünglichen Vorkommens, aber es kann nicht un-
mittelbar von einer bestimmten älteren Vorform abgeleitet werden.
Der in dieser Richtung liegende Versuch, ,,die merowingische
doppelkonische Urne als Endglied einer langen, rund ein halbes
Jahrtausend dauernden Entwicklung zu betrachten“1, vermag
nicht zu befriedigen. Natürlich liegt es nahe, sowohl die spät-
römische Nigra-Schüssel wie die germanische Schalenurne als Vor-
formen in Anspruch zu nehmen, und es kann auch nicht bestritten
werden, daß diese Gefäße in spätrömischer Zeit einer langsamen
Veränderung unterliegen. Aber dem einen wie dem anderen gegen-
über ist der rädchenverzierte fränkische Doppelkonus eine Neu-
schöpfung, welche einerseits dem germanischen Geschmack ent-
spricht und anderseits auf dem technischen Können der provin-
zialen Werkstätten aufbaut. Auch der Versuch Brenners2, Über-
gangsformen zu finden, welche den „Verlauf der Entwicklung“ än-
zeigen, wirkt gekünstelt, insofern eben die angenommene typo-
logische Reihe große und auch mit dem heutigen Stoff nicht zu
schließende Lücken aufweist. Diese Erkenntnis gewinnt nun aber
dadurch an Bedeutung, daß die Glasindustrie dasselbe zu erkennen
gibt. Wenn sich nach Brenners Feststellung3 „die Abhängigkeit
des fränkischen Materials vom spätrömischen in viel bescheide-
neren Grenzen hält, als meist angenommen wird“, dann werden
wir schon damit auf die Vorstellung verwiesen, daß der betreffende
gläserne Formenschatz der Reihengräberfelder seine eigene Note
besitzt. Im einzelnen hat gezeigt werden können, daß z. B. die
fränkische Glastasse mit kugeligem Boden und verstärktem Rand
1 Materialien zur römisch-germanischen Keramik 2, 1916, 28f. (W. Un-
verzagt); ebenda 3, 1919, 41 (Ders.).
2 a.a.O. 294.
3 Ebenda 293.
 
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