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Wahle, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 2. Abhandlung): Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen: Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis. 1 — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42021#0141
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Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen

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dessen Resultate ,,im Zusammenhang mit den Ergebnissen seiner
materialistischen Geschichtsnntersuchung darzustellen und dadurch
erst ihre ganze Bedeutung klar zu machen. Hatte doch Morgan
die von Marx vor 40 Jahren entdeckte materialistische Geschichts-
auffassung in Amerika in seiner Art neu entdeckt, und war von ihr,
bei Vergleichung der Barbarei und der Civilisation, in den Haupt-
punkten zu denselben Resultaten geführt worden wie Marx“1.
Blieb die Prähistorie dieser besonderen Form der Nutzbarmachung
ihrer Ergebnisse für den Klassenkampf natürlich fern, so wurde sie
durch die angedeutete Entwicklung für die Folgezeit doch in ge-
wissem Umfange in den Bannkreis des Materialismus gezogen. In
ihrem Schrifttum herrscht von nun an ein ganz bestimmtes Schema
des menschlichen Aufstieges, dem die neuen Beobachtungen ein-
gepaßt werden, und diese Entwicklung soll einen Fortschritt be-
deuten; durch die ausschließliche Herausstellung des tatsächlich
greifbaren Stoffes gehen die Fühlung mit dem handelnden Men-
schen und der Sinn für die Kausalität des zeitlichen Nacheinanders
so vollständig verloren, daß der geschichtliche Ablauf im wesent-
lichen nur noch aus dem Wandel der Gerättypen besteht. Der
Abstand dieses Geschichtsbildes ■— wenn eine solche Bezeichnung
hier überhaupt noch zulässig ist — von aller Wirklichkeit liegt uns
Heutigen klar zutage. Die beste Bestätigung für die Notwendig-
keit, es zu überwinden, darf man in demjenigen Ansturm gegen die
Prähistorie sehen, der in den beiden letzten Jahrzehnten von ^ern-
sten Runenforschern“ und Symboldeutern, von Verfechtern der
astronomischen Ortungen wie auch des Atlantisbegriffes gegen sie
vorgetragen worden ist; denn so wenig alle diese interessierten
Laien untereinander einig gehen und so fern ihnen das Gesamtgebiet
der Prähistorie liegt, so finden sie sich doch sämtlich in dem Ver-
langen, mit dem Menschen der frühgeschichtlichen Vergangenheit
in eine engere Fühlung zu kommen2. Das Versagen der prähistori-
schen Literatur in dieser Hinsicht war also geradezu bereits eine
öffentliche Angelegenheit geworden!
Es dürfte kein Zufall sein, daß auch andere Wissenschaften,
welche sich in erster Linie auf eine Gegenstandskunde gründen, den
1 Fr. Exgels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des
Staats. Im Anschluß an L. H. Morgans Forschungen. 1884, III.
2 Neben diesem allgemeinen Grund für die Entstehung einer derartigen
Literatur gibt es noch andere, wohl mehr sekundäre Ursachen, welche die
Wahl der Themen und den Kreis ihrer Bearbeiter bestimmen.
 
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