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Nikolaus [Hrsg.]; Baur, Ludwig [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 4. Abhandlung): Nicolaus Cusanus und Ps. Dionysius im Lichte der Zitate und Randbemerkunge des Cusanus — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42023#0034
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Ludwig Baur Cusanus-Texte: III. Marginalien

Nicolaus in seiner Antwort auf die Frage des Schülers: „Fateor,
amice, non me Dionysium aut quemquam theologorum
verorum tune vidisse, quando desuper conceptum rece-
pi, sed avido cursu me ad doctorum scripta contuli et
nihil nisi revelatum varie figuratum inveni. Nam Dionysius ad
Gaium ignorantiam perfectissimam scientiam affirmat et de scien-
tia ignorationis multis in locis loquitur et Augustinus ait Deum
potius ignorantia quam scientia attingi.“ (Ebd. 12, 19 ff.)1.
Ist diese Darstellung, die Nicolaus von der Sache aus seiner
Erinnerung i. J. 1449 gibt, richtig oder nicht? Diese Frage muß
aufgeworfen werden angesichts der Tatsache, daß sich ja in den
Jahren 1431—1439 bereits DionYsius-Zitate bei ihm vorfinden.
Insbesondere sind es die zwei Predigten XIII und XIV, die eine
etwas genauere Kenntnis Areopagitischer Schriften bei ihm er-
kennen lassen: In der Predigt XIII ,,Verbum caro factum est“ vom
25. Dezember 1438 ist auf Grund der Zitate eine Kenntnis von DN
und auch der Briefe (n. 10) nachzuweisen. -— Die Predigt XIV
,,Nomen eius Jesus“ vom 1. Januar 1439 — beide sind also gleich-
zeitig — verrät eine Kenntnis der wichtigen Schriften DN, CH,
MTh, so daß man also sagen kann: Nicolaus hat im Jahre 1438
alle diese Schriften gekannt und benützt.
Um die Frage zu entscheiden, vergegenwärtigen wir uns noch-
mal, was er an der genannten Stelle der Apologie sagt: Er behaup-
tet zweierlei: 1. daß er Dionysius nicht gesehen habe, als er seinen
neuen Gottesbegriff (der Coincidenz) als Offenbarung empfangen
habe. 2. er habe sich in begieriger Eile (avido cursu) auf die einschlä-
gigen theologischen Schriften geworfen und das Geoffenbarte darin
in mannigfacher Form bestätigt gefunden. Mit diesen beiden Be-
hauptungen scheint sich mir das Tatsachenmaterial durchaus in
Einklang zu befinden. Zwar muß zugegeben werden, daß er bei
Abfassung der Concordantia (1433) die Ecclesiastica hierarchia ge-
kannt hat. Aber in unserem Zusammenhang handelt es sich um
den Gottesbegriff. Das kurze DionYsius-Zitat in der Predigt
,,Fides autem catholica“ vom Jahre 1431 läßt sich nicht verwenden
für einen Beweis genauerer Kenntnis der Dionysischen Schriften.
Es ist ein Zitat, das ebensogut aus secundärer Quelle geflossen sein
kann. Anders ist es mit den angeführten Zitaten der XIII und
XIV Predigt. Nun aber sind diese in der Zeit kurz nach seiner
1 Ep-I (PG 3, 1065a): „Kat ή κατά το κρεΐττον παντελής άγνωσία γνωσίς
έστι του υπέρ πάντα τά γινωσκόμενα“.
 
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