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Ludwig Baur Cusanus-Texte: III. Marginalien
kenntnis. Es gibt von ihm Erkenntnis, Verstehen, Wissenschaft,
Berührung, Sinneswahrnehmung, Meinung, Phantasie und Name
und alles andere, und doch wird er nicht erkannt noch ausgespro-
chen noch genannt. Er ist nichts von allem was existiert, und
wird in keinem der existierenden Dinge erkannt. Er ist in allem
alles und in keinem Dinge etwas, wird aus allen Dingen von allen
erkannt und aus keinem Dinge von irgendjemand erkannt. Denn
mit Recht machen wir auch solche positive und negative
Aussagen von Gott, und auf Grund von allem Seienden wird
er gemäß der Ähnlichkeit von allem, dessen Ursache er ist, gefeiert.
Und die göttlichste Erkenntnis Gottes ist hinwieder
diejenige, welche gemäß der überintellektuellen Eini-
gung durch Unkenntnis vermittelt wird, wenn nämlich
der Intellekt, von allem Seienden zurücktretend und dann sich
selbst verlassend, mit den überhellen Strahlen geeint, von dorther
und dort mit der unerforschlichen Tiefe der Weisheit bestrahlt wird.
Und doch ist diese, wie schon gesagt, auch aus allem zu erkennen,
denn sie ist es, die nach dem Schriftwort alles schafft und immerdar
alles füglich ordnet, die Ursache des unlösbaren Gefüges und der
Ordnung des Alls. Sie verknüpft allezeit die Enden der höheren
Ordnung mit den Anfängen der tieferen und stellt eine Eintracht
und Harmonie des Ganzen auf schöne Weise dar.“
Die Stelle enthält, ebenso wie CH II, 3, die Zusammenhänge
zwischen der negativen, positiven und mystischen Theologie, wie
sie uns auch bei Nicolaus Cusanus entgegentreten. Dieser hat
die sachliche Bedeutung dieser Stelle wohl erkannt und sie ent-
sprechend gewertet. Denn er sagt selbst De ven. sap. c. 30: ,, H aec
mihi magna visa sunt et maxime illius divini viri (nämlich
Dionysius) completam venationem continentia. Ideo ponenda
hoc loco iudicavi.“
Hierher gehört auch die Ausführung in dem Briefe an den Abt
von Tegernsee v. 14. September 1453 (Vansteenberghe ep. 5, S.
113f.) und De non aliud (1462) c. 14 (173, 24 ff.) nach DN II, 4
(PG 3, 641a) und 174, 9ff. nach DN VII, 3 (PG 3, 872a).
Diese Unterscheidung einer kataphatischen (affirmativen) und
apophatischen (negativen) Theologie trägt Ps. Dionysius an ver-
schiedenen Stellen vor, so z. B. DN I, 5; VII, 3; MTh I. III. IV. V;
auch CH II, 3 gehört hierher. Aber wie H. Koch, Ps. Dionysius
Areopagita in seinen Beziehungen zum Neuplatonismus und
Mysterienwesen Mainz 1900 S. 208ff. gezeigt hat, handelt es sich
Ludwig Baur Cusanus-Texte: III. Marginalien
kenntnis. Es gibt von ihm Erkenntnis, Verstehen, Wissenschaft,
Berührung, Sinneswahrnehmung, Meinung, Phantasie und Name
und alles andere, und doch wird er nicht erkannt noch ausgespro-
chen noch genannt. Er ist nichts von allem was existiert, und
wird in keinem der existierenden Dinge erkannt. Er ist in allem
alles und in keinem Dinge etwas, wird aus allen Dingen von allen
erkannt und aus keinem Dinge von irgendjemand erkannt. Denn
mit Recht machen wir auch solche positive und negative
Aussagen von Gott, und auf Grund von allem Seienden wird
er gemäß der Ähnlichkeit von allem, dessen Ursache er ist, gefeiert.
Und die göttlichste Erkenntnis Gottes ist hinwieder
diejenige, welche gemäß der überintellektuellen Eini-
gung durch Unkenntnis vermittelt wird, wenn nämlich
der Intellekt, von allem Seienden zurücktretend und dann sich
selbst verlassend, mit den überhellen Strahlen geeint, von dorther
und dort mit der unerforschlichen Tiefe der Weisheit bestrahlt wird.
Und doch ist diese, wie schon gesagt, auch aus allem zu erkennen,
denn sie ist es, die nach dem Schriftwort alles schafft und immerdar
alles füglich ordnet, die Ursache des unlösbaren Gefüges und der
Ordnung des Alls. Sie verknüpft allezeit die Enden der höheren
Ordnung mit den Anfängen der tieferen und stellt eine Eintracht
und Harmonie des Ganzen auf schöne Weise dar.“
Die Stelle enthält, ebenso wie CH II, 3, die Zusammenhänge
zwischen der negativen, positiven und mystischen Theologie, wie
sie uns auch bei Nicolaus Cusanus entgegentreten. Dieser hat
die sachliche Bedeutung dieser Stelle wohl erkannt und sie ent-
sprechend gewertet. Denn er sagt selbst De ven. sap. c. 30: ,, H aec
mihi magna visa sunt et maxime illius divini viri (nämlich
Dionysius) completam venationem continentia. Ideo ponenda
hoc loco iudicavi.“
Hierher gehört auch die Ausführung in dem Briefe an den Abt
von Tegernsee v. 14. September 1453 (Vansteenberghe ep. 5, S.
113f.) und De non aliud (1462) c. 14 (173, 24 ff.) nach DN II, 4
(PG 3, 641a) und 174, 9ff. nach DN VII, 3 (PG 3, 872a).
Diese Unterscheidung einer kataphatischen (affirmativen) und
apophatischen (negativen) Theologie trägt Ps. Dionysius an ver-
schiedenen Stellen vor, so z. B. DN I, 5; VII, 3; MTh I. III. IV. V;
auch CH II, 3 gehört hierher. Aber wie H. Koch, Ps. Dionysius
Areopagita in seinen Beziehungen zum Neuplatonismus und
Mysterienwesen Mainz 1900 S. 208ff. gezeigt hat, handelt es sich