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Nikolaus [Hrsg.]; Baur, Ludwig [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1940/41, 4. Abhandlung): Nicolaus Cusanus und Ps. Dionysius im Lichte der Zitate und Randbemerkunge des Cusanus — Heidelberg, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.42023#0079
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1. Nicolaus Cusanus und Ps. Dionysius im Lichte der Zitate

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untersucht er dieses Wertverhältnis mit dem Ergebnis, daß bei der
Materie (ύλη) die Negationen minderen Wert besitzen und Berau-
bung (στέρησις) bedeuten, beim Seienden stehen sie den Positionen
gleich, beim Einen (εν) stehen sie höher: ,,αιτίας δηλοΰσιν υπεροχήν
και τούτω κρείττους είσί των καταφάσεων“ und In Parmenidem VI, 116
sagt er geradezu, daß die Verneinungen (άποφάσεις) die Mütter (μη-
τέρες) der Bejahungen seien. (H. Koch a.a.0. 209f.)
Auch Dionysius befaßt sich mit dieser Frage, wenn er in
CH II, 3 (PG 3, 141a) von den Aussagen über Gott urteilt: ,,Die
negativen Aussagen über Gott sind wahr, die affirmativen sind
ungenügend (incompactae, ανάρμοστοι)“. H. Koch faßt die Stellung
des Dionysius zu dieser Frage folgendermaßen zusammen: „Die
kataphatisch ähnlichen Bilder und Prädikate Gottes sind zwar σεμ-
νότεροι (feierlicher), bleiben aber weit hinter der Wirklichkeit zurück,
da Gott über alles hinaus ist. Durch die apophatisch unähnlichen
Bilder wird man darauf aufmerksam gemacht, daß er unsichtbar,
grenzenlos, unbeschränkt ist; diese Offenbarung besagt also nicht
was er ist, sondern was er nicht ist. Das ist κυριώτερον von der Gott-
heit gesagt. Das nämlich wissen wir in Wahrheit von ihr, daß sie
nicht ist wie eines der seienden Wesen, wir kennen aber positiv ihre
überwesentliche, unbegreifliche und unaussprechliche Unbegrenzt-
heit nicht. Die άποφάσεις sind bei göttlichen Dingen άληθεΐς, die
καταφάσεις ανάρμοστοι.“
Auf diese Stellen beruft sich Nicolaus Cusanus, wenn er
Docta ign. I, 24 (S. 49, 27) sagt: ,,Est itaque ex hoc manifestum
nomina affirmativa, quae Deo attribuimus per infinitum diminute
sibi convenire; nam talia secundum aliquid, quod in creaturis repe-
ritur, sibi attribuuntur. Cum igitur Deo nihil tale particulare, dis-
cretum, habens oppositum sibi nisi diminutissime convenire possit,
hinc affirmationes sunt incompactae, ut ait Dionysius.“
Die Negationen entfernen das Unvollkommene von dem Voll-
kommenen und die Beschränkungen, die die affirmative Theologie
an Gott bejaht. De ven. sap. [1463] c. 22 I, 209v heißt es: „Diony-
sius, qui, ut dicunt, Platonem imitatur, in campo unitatis similem
venationem fecit et negationes, quae sunt privationes, sed excel-
lenter praegnantes, veriores dicit affirmationibus.“ Und
in De beryllo [1458] c. 11 (12, llf.) bemerkt er ganz allgemein:
„Sic et Dionysius noster negativam praefert theologiam affir-
mativae.“
 
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