Metadaten

Nikolaus [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 1. Abhandlung): Untersuchungen über Datierung, Form, Sprache und Quellen: kritisches Verzeichnis sämtlicher Predigten — Heidelberg, 1942

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42026#0030
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22

Josef Koch, Cusanus-Texte: I. Predigten, 7.

für zu schwierig oder für die Zuhörer unfruchtbar erachtefe, ließ
er im mündlichen Vortrag beiseite. Trotzdem ist es wohl wahr-
scheinlich, daß er die Fassungskraft seiner Zuhörer oft überschätzte:
die Südtiroler Bauern haben ihm denn auch nicht den Vorwurf
erspart, er predige zu hoch1. Man kann aber nicht genug betonen,
daß die lateinischen Entwürfe uns kein Bild davon geben,
wie er zum Volk predigte2. Man vergleiche nur den lateinischen
Entwurf Pr. 17 mit der deutschen Vaterunser-Auslegung Pr. 18.
Ein noch lebendigeres Bild von der Art seiner Volkspredigt bietet
die deutsche Nachschrift seiner Wiener Pr. 71.3 Dabei ist natür-
lich nicht zu verkennen, daß auch die lateinischen Entwürfe viele
Einzelheiten, vor allem zahlreiche Beispiele, enthalten, die seine
Predigt volkstümlich machen sollten. Es ist aber zunächst Material.
Wie er es verwertete, überließ er — als geborener Bedner -— der
Eingebung des Augenblicks.
III. Die Sprache (1er Predigten
,,Es mag auffallend sein,“ so schreibt M. Billinger in seiner
bereits zitierten Arbeit4, ,,wie wenig sich Cusanus beim Nieder-
schreiben der Predigt der deutschen Sprache bedient hat. Gerade
die von Beispielen, Bildern und Dialogen erfüllte Predigt, die doch
in unmittelbarer Beziehung zum praktischen Leben stand, verlangt
nach dem Wort der Muttersprache.“ Abgesehen von ganz wenigen
Worten (vgl. weiter unten), hat Cusanus seine Entwürfe nur latei-
nisch geschrieben. Das ist aber nicht weiter auffallend5, vielmehr
im katholischen Klerus bis in die neueste Zeit hinein üblich ge-
1 Ygl. Pr. 271 n. 3, in: Pred. 2/5, S. 118, 20: „Quidam solent murmu-
rare, quasi aliquotiens vobis simplicibus praedicem res altas nimis . . .“
2 Ygl. dazu H. v. Greyerz über die Romfahrtpredig’ten des Johannes
Heynlin von Stein (in den oben S. 16 Anm. 1 genannten Studien, S. 288):
„Das ist nun allerdings die große Schwierigkeit, die sich unserer Vorstellung
vom Predigtwirken Heynlins entgegenstellt: die Predigtaufzeichnungen sind
Latein. Gesprochen hat er aber deutsch. Was ist da an Systematik ver-
lorengegangen, was an Improvisation hinzugekommen?“
3 Vgl. dazu Pred. 6, S. 200ff.
4 a.a.O., S. 17 Anm. 3.
5 So urteilt auch Fr. A. Scharpff, Der Cardinal und Bischof Nicolaus
von Cusa, S. 281: „Einige Predigten, wie z. B. die auf das Weihnachtsfest zu
Coblenz vom Jahre 1431, haben im Manuscripte den Beisatz: ad populum,
wobei uns die lateinische Sprache des Manuscripts nicht beirren darf, da be-
kanntlich im Mittelalter viele Predigten lateinisch niedergeschrieben und
gleichwohl in der Volkssprache vorgetragen wurden.“
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften