Die Anfänge des Problems „Staat und Kirche“ zeichnen sich
bereits in den allerersten Beziehungen der Christen zum römischen
Staat ab. Vieles davon liegt freilich für uns im Dunkeln. Aber es
fragt sich, ob durch schärfere Interpretation einiger Texte, christ-
licher wie nichtchristlicher, in dieses Dunkel nicht doch etwas mehr
Licht gebracht werden kann.
Die Christen besaßen in ihrer evangelischen Überlieferung einen
Text, der ihnen, recht verstanden, eine Weisung für ihr Verhalten
zum Staat hätte sein können. Es war die Erzählung vom „Zins-
groschen“, in der Jesus vor die Frage gestellt wird, ob man dem
römischen Kaiser die Kopfsteuer zahlen solle, die er in den völlig
einverleibten Landesteilen Judäa und Samaria erhebt (Mk. 12, 13
bis 17 und Parallelen). Die Voraussetzungen der Geschichte sind
deutlich im Text enthalten. Es wird weder die Frage aufgeworfen,
ob das jüdische Volk außer Gott noch einen irdischen Herrscher
ertragen könne1, noch die andere, ob man dem Staat überhaupt
Steuern zu zahlen habe2. Es handelt sich vielmehr darum, daß der
fromme Jude die Kopfsteuer als frevelhaft empfindet, weil sie ihm
auf Grund eines Zensus auferlegt wird. Jeder Zensus aber gilt als
gottwidrig — und erst recht dieser, den eine fremde, heidnische
1 Diese Lehre von der reinen Theokratie, wie sie die Zeloten vertraten,
hat Gerhard Kitt.f.l, Christus und Imperator, 1939, S. 12ff. zur Erklärung
des Jesuswortes vom Zinsgroschen herangezogen: wenn Jesus angesichts sol-
cher theokratischer Möglichkeiten die Steuerforderung des Cäsar bejahe, sei
dies als ein Bekenntnis zum Eigenrecht des Staates aufzufassen. Aber die
Beziehung auf jene zelotische Lehre ist völlig eingetragen; der Text der Er-
zählung weist auf eine ganz andere Spannung, siehe oben.
2 Schon der Gebrauch des Wortes κηνσος bei Markus und Matthäus
weist auf die oben geschilderte geschichtliche Lage; Lukas hat φόρος. Wenn
Jesus aber statt des δώμεν ή μή δώμεν der Frage in der Antwort sagt άπόδοτε,
so ist aus dem Gebrauch des Kompositums nicht herauszulesen, daß damit
beide Pflichten, gegen den Cäsar wie gegen Gott, als Rückerstattungspflichten
aufgefaßt seien (Stacffer, Gott und Kaiser im Neuen Testament, 1935, S. 15;
Eck. Urgemeinde und Imperium 1941, S. 21). Denn ά-οδιδόναι wird von
jeder Zahlung im Rahmen eines Schuldverhältnisses gebraucht.
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bereits in den allerersten Beziehungen der Christen zum römischen
Staat ab. Vieles davon liegt freilich für uns im Dunkeln. Aber es
fragt sich, ob durch schärfere Interpretation einiger Texte, christ-
licher wie nichtchristlicher, in dieses Dunkel nicht doch etwas mehr
Licht gebracht werden kann.
Die Christen besaßen in ihrer evangelischen Überlieferung einen
Text, der ihnen, recht verstanden, eine Weisung für ihr Verhalten
zum Staat hätte sein können. Es war die Erzählung vom „Zins-
groschen“, in der Jesus vor die Frage gestellt wird, ob man dem
römischen Kaiser die Kopfsteuer zahlen solle, die er in den völlig
einverleibten Landesteilen Judäa und Samaria erhebt (Mk. 12, 13
bis 17 und Parallelen). Die Voraussetzungen der Geschichte sind
deutlich im Text enthalten. Es wird weder die Frage aufgeworfen,
ob das jüdische Volk außer Gott noch einen irdischen Herrscher
ertragen könne1, noch die andere, ob man dem Staat überhaupt
Steuern zu zahlen habe2. Es handelt sich vielmehr darum, daß der
fromme Jude die Kopfsteuer als frevelhaft empfindet, weil sie ihm
auf Grund eines Zensus auferlegt wird. Jeder Zensus aber gilt als
gottwidrig — und erst recht dieser, den eine fremde, heidnische
1 Diese Lehre von der reinen Theokratie, wie sie die Zeloten vertraten,
hat Gerhard Kitt.f.l, Christus und Imperator, 1939, S. 12ff. zur Erklärung
des Jesuswortes vom Zinsgroschen herangezogen: wenn Jesus angesichts sol-
cher theokratischer Möglichkeiten die Steuerforderung des Cäsar bejahe, sei
dies als ein Bekenntnis zum Eigenrecht des Staates aufzufassen. Aber die
Beziehung auf jene zelotische Lehre ist völlig eingetragen; der Text der Er-
zählung weist auf eine ganz andere Spannung, siehe oben.
2 Schon der Gebrauch des Wortes κηνσος bei Markus und Matthäus
weist auf die oben geschilderte geschichtliche Lage; Lukas hat φόρος. Wenn
Jesus aber statt des δώμεν ή μή δώμεν der Frage in der Antwort sagt άπόδοτε,
so ist aus dem Gebrauch des Kompositums nicht herauszulesen, daß damit
beide Pflichten, gegen den Cäsar wie gegen Gott, als Rückerstattungspflichten
aufgefaßt seien (Stacffer, Gott und Kaiser im Neuen Testament, 1935, S. 15;
Eck. Urgemeinde und Imperium 1941, S. 21). Denn ά-οδιδόναι wird von
jeder Zahlung im Rahmen eines Schuldverhältnisses gebraucht.
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