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Martin Dibelius:
folgungen noch nicht erlebt. Die Christen seines Gesichtskreises
sind also wohl oft infolge von Verleumdungen vor Gericht gestellt
worden; und wenn sie sich von solcher Anklage reinigen konnten,
sind sie, wie es scheint, mitunter als Angehörige der Christensekte
bestraft worden (I. Petr. 4, 16 ώς Χριστιανός). Die Konsequenz,
daß der Staat dann eigentlich gegen diese Sekte als solche Vor-
gehen müßte, hat man aber zunächst nicht gezogen. Und so hat
sich auch dem Verfasser des 1. Petrusbriefes die Frage, wie sich
die Christen zu einem ihnen feindlichen Staat verhalten sollten,
im tiefsten Ernst noch nicht gestellt.
IV.
Der Erste Petrusbrief zeigt, daß das Problem ,,Christ und
Staat“ sich zuspitzte. In den neunziger Jahren des ersten Jahr-
hunderts ist es auch wirklich im Osten wie im Westen des Reichs
zu Christenverfolgungen gekommen. Aus Kleinasien besitzen wir
das klassische Zeugnis der Offenbarung Johannis, von dem noch
die Rede sein soll. Die Christen in Rom hatten bereits unter Nero
einen Angriff der kaiserlichen Gewalt erlebt, allerdings nur einen
gelegentlichen, aus einer besonderen Lage hervorgehenden. Nun
wurde Domitian der zweite Christenverfolger unter den Kaisern.
Durch den neuen Konflikt wurde auch die innere Auseinander-
setzung der Christen mit dem Staat in eine andere Richtung ge-
wiesen. Das Schreiben der römischen Gemeinde an die korinthische
aus der Zeit unmittelbar nach der Verfolgung, das als Erster
Klemensbrief in den Handschriften steht, gibt uns einen Begriff
von der Art, wie man mit der geänderten Lage fertig zu werden
suchte. Der geschichtliche Rückblick dieses Briefes auf das Lebens-
ende des Petrus und Paulus hat immer wieder den Gegenstand
historischer Diskussionen gebildet. Man kann aber diese Nach-
richten nur dann richtig würdigen, wenn man sich über die grund-
sätzliche Haltung des Schreibers klar geworden ist.
Zunächst fällt auf, daß der Verfasser die eben überstandene
Verfolgung nur anführt, um den späten Termin seines Schreibens zu
rechtfertigen, sonst aber von dieser Verfolgung schweigt, auch dort
schweigt, wo er der neronischen Verfolgung ausführlich gedenkt.
daß der Verf. den Gedanken von Paulus übernommen hat; es können aber
auch beide Texte von derselben Paränese abhängig sein. Der Hauptgedanke
von Röm. 13 — jede obrigkeitliche Gewalt von Gott —- ist im I. Petrusbrief
nicht ausgesprochen.
Martin Dibelius:
folgungen noch nicht erlebt. Die Christen seines Gesichtskreises
sind also wohl oft infolge von Verleumdungen vor Gericht gestellt
worden; und wenn sie sich von solcher Anklage reinigen konnten,
sind sie, wie es scheint, mitunter als Angehörige der Christensekte
bestraft worden (I. Petr. 4, 16 ώς Χριστιανός). Die Konsequenz,
daß der Staat dann eigentlich gegen diese Sekte als solche Vor-
gehen müßte, hat man aber zunächst nicht gezogen. Und so hat
sich auch dem Verfasser des 1. Petrusbriefes die Frage, wie sich
die Christen zu einem ihnen feindlichen Staat verhalten sollten,
im tiefsten Ernst noch nicht gestellt.
IV.
Der Erste Petrusbrief zeigt, daß das Problem ,,Christ und
Staat“ sich zuspitzte. In den neunziger Jahren des ersten Jahr-
hunderts ist es auch wirklich im Osten wie im Westen des Reichs
zu Christenverfolgungen gekommen. Aus Kleinasien besitzen wir
das klassische Zeugnis der Offenbarung Johannis, von dem noch
die Rede sein soll. Die Christen in Rom hatten bereits unter Nero
einen Angriff der kaiserlichen Gewalt erlebt, allerdings nur einen
gelegentlichen, aus einer besonderen Lage hervorgehenden. Nun
wurde Domitian der zweite Christenverfolger unter den Kaisern.
Durch den neuen Konflikt wurde auch die innere Auseinander-
setzung der Christen mit dem Staat in eine andere Richtung ge-
wiesen. Das Schreiben der römischen Gemeinde an die korinthische
aus der Zeit unmittelbar nach der Verfolgung, das als Erster
Klemensbrief in den Handschriften steht, gibt uns einen Begriff
von der Art, wie man mit der geänderten Lage fertig zu werden
suchte. Der geschichtliche Rückblick dieses Briefes auf das Lebens-
ende des Petrus und Paulus hat immer wieder den Gegenstand
historischer Diskussionen gebildet. Man kann aber diese Nach-
richten nur dann richtig würdigen, wenn man sich über die grund-
sätzliche Haltung des Schreibers klar geworden ist.
Zunächst fällt auf, daß der Verfasser die eben überstandene
Verfolgung nur anführt, um den späten Termin seines Schreibens zu
rechtfertigen, sonst aber von dieser Verfolgung schweigt, auch dort
schweigt, wo er der neronischen Verfolgung ausführlich gedenkt.
daß der Verf. den Gedanken von Paulus übernommen hat; es können aber
auch beide Texte von derselben Paränese abhängig sein. Der Hauptgedanke
von Röm. 13 — jede obrigkeitliche Gewalt von Gott —- ist im I. Petrusbrief
nicht ausgesprochen.